Das Lyzeum



Das Eutiner Lyzeum um 1940
(Foto aus: Archiv der Bürgergemeinschaft Eutin e.V.)




1. Einleitung

2. Schule und Frauenbild im Nationalsozialismus
2.1 Geschichte des Lyzeums
2.2 Räumliche Umstellungen
2.3 Thematische Umstellungen
2.4 Abweichungen vom Schulalltag
2.4.1 Veranstaltungen
2.4.2 Unterrichtsausfall

3. Lehrer
3.1 Veränderungen im Kollegium
3.1.1 Dr. Adolf Philippson
3.1.2 Marie Reinhardt
3.2 Kurzbiographie über Direktor Wilhelm
Harders und Direktor Dr. Max Prange

4. Schüler
4.1 Soziale Herkunft
4.2 Räumliche Herkunft
4.3 Vereine
4.4 Probleme des Alltags
4.5 Kurzbiographie der Schülerin Susanne Röttke

5. Schlussbemerkung

6. Quellen- und Literaturverzeichnis

7. Abschließendes Interview zur Rezeptionsgeschichte

8. Anhang

Einleitung



Eutin galt bereits in den zwanziger Jahren als Schulstadt. Es gab Grund- und Hauptschulen, ein katholisches Mädcheninternat und [...] zwei Oberschulen.(1)
45 Prozent der gesamten Ausgaben der Stadt Eutin kamen damals den beiden Oberschulen zugute.(2)
Eine dieser Oberschulen war das Oberlyzeum für Mädchen, die heutige Weber-Schule.

Mit der Machtübernahme der NSDAP auf Reichsebene am 30. Januar 1933 änderte sich das Schulsystem der Weimarer Republik vollkommen.

Das Deckblatt zeigt das Eutiner Lyzeum mit Hakenkreuz-Fahne zwischen 1930 und 1940. Heute wäre es undenkbar, die Flagge der regierenden Partei an einer (wenngleich staatlichen) Schule zu hissen. Dies ist ein Beispiel dafür, wie sehr der Einfluss der Nationalsozialisten zunehmend den Schulalltag dominierte.



Schule und Frauenbild im Nationalsozialismus



2.1 Geschichte des Lyzeums
Im Jahr 1910 war das Lyzeum als wissenschaftliche Schule entstanden. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Schule thematisch stark umstrukturiert, indem man ihr einen hauswirtschaftlichen Charakter zuwies. Es rückten neue „Werte“ in den Vordergrund.
Die totale Erfassung und Ausrichtung des jungen Menschen im Sinne der angestrebten „Erziehungsdiktatur“ war das Ziel der Nationalsozialisten. Es kam zu einer „Neuordnung des Schulwesens“. Vor allem an den Oberschulen sollten die wichtigsten Inhalte der NS-Ideologie deutlicher hervortreten. Für Richtlinien in der Schule verantwortlich war Reichserziehungsminister Rust (Parteimitglied der NSDAP), der auch die Lehrpläne für das Lyzeum aufstellte.(3)

Am 18. April 1934 wurde die Schule zum „Städtischen Oberlyzeum mit Frauen- und Haushaltungsschule“ erklärt.(4)
Nach zehn Jahren Unterricht im Oberlyzeum erhielten die Mädchen die Möglichkeit, ein Pflichtjahr in der Haushaltungsschule zu absolvieren. Wer Interesse an der Hauswirtschaft hatte, konnte danach zusätzlich die Frauenschule besuchen. Dieses Angebot galt auch für Volksschülerinnen.(5)
Die Frauenschule erfüllte zwei Aufgaben: Erstens fungierte sie als Einleitung der elften Klasse der dreijährigen Frauenschule und zweitens bildete sie die Abschlussklasse der Schülerinnen, die nur ein Jahr die Schule besuchen wollten.(6)


Während sich Ostern 1933 noch die Hälfte aller Abiturienten an der Universität einschrieb, tat dies ein Jahr später nur knapp ein Sechstel. Das lag daran, dass 1934 nur diejenigen studieren durften, denen neben dem Reifezeugnis noch ein besonderes Zeugnis der Hochschulreife ausgestellt wurde. Dieses Zeugnis erhielt allerdings nur jede zehnte Abiturientin.
Ostern 1934 verließen besonders viele Mädchen die Schule, da neben dem parteipolitischen Einfluss wirtschaftliche Not und Schulmüdigkeit ihnen den Grund dazu gaben.
Die Tendenz, eine Lehre anstelle des Abiturs zu machen, verstärkte sich. Dies deutete schon den ersten Umschwung in der Mädchenbildung an.

Ostern 1935 verlor das Oberlyzeum den rein wissenschaftlichen Charakter.
Die Haushaltungsschule blieb für diejenigen bestehen, die eine noch stärkere praktische Ausbildung erhalten wollten. Von der wissenschaftlichen Oberschule blieben somit nur noch die Schülerinnen der Oberprima. Als auch diese ihr Abitur absolviert hatten (März 1936), wich die Oberstufe der dreijährigen Frauenschule.(7)
Die neue Ordnung umfasste sechs Jahrgangsstufen (Klassen 5-10) und eine dreijährige Frauen- und Haushaltungsschule als Oberstufe. Da es die 13. Klasse noch nicht gab, machten 1937 keine Schülerinnen die Reifeprüfung.(8)
In diesem Jahr verlor der Oldenburgische Landesteil Lübeck seine Selbstständigkeit und wurde als Landkreis Eutin der preußischen Provinz Schleswig-Holstein angegliedert. Die Schule unterstand von nun der Schulaufsichtsbehörde in Kiel.(9) Das Lyzeum wurde umbenannt in „Oberschule für Mädchen - (hauswirtschaftliche Form) - Eutin“.

Sowohl die Stundenpläne „Erziehung und Unterricht“ für eine Oberschule für Mädchen in hauswirtschaftlicher Form als auch die Stundenanzahl (Verkürzung von neun auf acht Schuljahre) wurden ab 1937 der hauswirtschaftlichen Form angepasst.
Am 31. Dezember 1937 trat zudem Direktor Harders in den Ruhestand. Studienrat Wolf übernahm die stellvertretende Leitung, bis am 03. Mai 1938 Dr. Max Prange zum Direktor ernannt wurde.
Die Schüler der Prima erhielten nach ihrem Abschluss nur ein vorläufiges Abgangszeugnis mit der Auflage, sich zum Arbeitseinsatz zur Verfügung zu stellen. Erst nach ihrem Einsatz wurde ihnen am 01. April 1940 das Reifezeugnis ausgehändigt.(10)

Als der Hausmeister des Lyzeums im Jahre 1943 Panzergräben ausheben musste, übernahmen die Schüler einige von dessen Aufgaben, wie zum Beispiel die Reinigung der Schule.
Als die Tiefflieger nach Ostholstein vordrangen, wurden die Schulen gemäß dem Erlass der britischen Militärregierung geschlossen. Somit gab es ab dem Mai 1945 überhaupt keinen Unterricht mehr.
In Eutin erlebte man den Krieg häufig als ein weit entferntes Ereignis und deshalb denken die damaligen Schülerinnen gerne an ihre Eutiner Schulzeit während dieser Zeit zurück.(11)

Am 24. Januar 1946 erfolgte die Wiedereröffnung der Oberschule für Mädchen nach einem dreiviertel Jahr Zwangspause. Am 25. begann der Unterricht für die Klassen Quinta und Quarta und für die übrigen Klassen, wegen der Raumnot, erst ab dem 4. Februar.
Da es keine Luftangriffe auf Eutin gegeben hat, war das Schulhaus erhalten geblieben. Die Klassen trafen in den neu eröffneten Räumen der Berufsschule wieder zusammen, neu zusammengesetzt und unter schlechten Bedingungen (schlecht geheizte Räume, übergroße Klassen durch die vielen Flüchtlinge).
Nachdem aber am 22. März 1946 das Schulgebäude vom Lazarett geräumt worden war, standen wieder neue Unterrichtsräume zur Verfügung.

Zu Beginn des Schuljahres 1946/47 wechselte die hauswirtschaftliche wieder ganz zur wissenschaftlichen Form; der hauswirtschaftliche Zug lief zunächst in den Klassen 12 und 13 weiter.
Die traditionellen Bezeichnungen der Klassen (Sexta etc.) wie auch, ab 1947, das neunte Schuljahr, wurden wieder eingeführt.
Der sich herausbildende Aufbau der Schule entsprach der sprachlichen Form einer Oberschule für Mädchen.(12)

Im Jahr 1947 begannen jedoch Diskussionen über den Abbau der Oberschule für Mädchen. Es wurde damit begründet, dass die Mädchen die das Abitur machen möchten, auf die Oberschule für Jungen gehen sollten. Ab diesem Zeitpunkt entstanden die ersten Elternvertretungen, die eine Vorstufe zu dem späteren Elternbeirat bildeten. Die Proteste, welche von der Elternvertretung ausgingen, hatten Erfolg. Die heutige Weber-Schule blieb erhalten.


2.2 Räumliche Umstellungen
1944 stieg die Anzahl der Schüler stark an (siehe Schaubild zur Herkunft im Anhang), so dass 13 Räume für den fortlaufenden Unterricht benötigt wurden. Da sie überfüllt waren, mussten die Nebenräume für Nadelarbeit und die Naturwissenschaften zu normalen Unterrichtsräumen umgebaut werden. Durch die Aula wurde eine Querwand aus Ziegelsteinen gezogen, so dass auch dort zwei neue Klassenräume entstanden. Es wurde nach einem Tischersatz gesucht und nach Stühlen. Bald nutzte man spärliche Böcke als Stühle.(13)
Als am 19.10.1944 die Schule Lazarett wurde und über 1000 Patienten Raum bot, wurde unter anderem der Umbau des Physik-Raumes nötig.
Die Schülerinnen siedelten mit der Bibliothek und dem gesamten Schulinventar in die Voß-Schule über. Dort wurden sie vorerst in den Umkleidekabinen unterrichtet. Aber kurze Zeit später beanspruchte die Wehrmacht auch dieses Gebäude, so dass die Klassen auf die ganze Stadt verteilt werden mussten. Sie erhielten entweder Unterricht im Gemeindehaus (heute: Balkan-Stuben, A.-Mahlstedt-Str.13), in der Pestalozzi-Schule (Bahnhofstraße), den Knabenvolksschulen in der Mahlstedtstraße und der Elisabethstraße (heute: Wilhelm-Wisser-Schule), in der Berufsschule am Weberhain (Charlottenstraße) oder in einem Einzelraum im Haus der Plöner Straße 20.(14)
Die Oberklassen wurden in der Sakristei der Kirche unterrichtet und einige Schülerinnen sogar im Arbeitszimmer des Bürgermeisters während der Mittagspause von 12.00 bis 15.00 Uhr. Die Lehrer hatten in den Pausen von Gebäude zu Gebäude zu laufen.(15)

Durch die schlechten Bahnverbindungen im Krieg errichtete man bald „Filialen“ in Neustadt und Preetz, so dass die Lehrer nun zum Unterrichten zu den Schülern fuhren.(16)

Als am 25 Januar 1946 der Unterricht wieder begann, wurde in den Räumen der Berufsschule unterrichtet, da das Schulgebäude noch vom Lazarett belegt war.
Die Berufsschule (Charlottenstraße) stellte drei Räume zur Verfügung und gab ebenso die Erlaubnis für die Benutzung der Küche, die somit eine Unterrichtsmöglichkeit für die höheren Klassen bot.
Ab dem 4. Februar konnte auch die Voß-Schule zwei Räume zur Verfügung stellen, in denen die unteren Klassen unterrichtet wurden. Die Mittelstufe nutzte den evangelischen Gemeindesaal.
Eingeschränkte Stundenzahlen und Schichtunterricht waren die zwangsläufigen Folgen für die Schülerinnen.
Am 22/23 März 1946 wurde das Schulgebäude vom Lazarett geräumt. Dennoch standen in der Schule nur neun Räume für nun 625 Schülerinnen zur Verfügung, was eindeutig zu wenig war.
Die naturwissenschaftlichen und hauswirtschaftlichen Räume wie auch der Zeichensaal wurden schließlich auch als Klassenräume genutzt. Es gab jedoch auch Wanderklassen, die keinen eigenen Klassenraum hatten.
Am 19. Juni 1946 konnte die Schulküche wieder genutzt werden, so dass die Nutzung der Küche in der Berufsschule nicht mehr notwendig war.

Oberstudienrat Dr. Reinhold Janeck hatte eine Lösung für die Raumprobleme: Er beantragte den Bau einer Unterrichtsbaracke auf dem Schulhof, die im Herbst 1946 entstand. Die Baracke wurde jedoch vom städtischen Wohnungsamt für Flüchtlinge und Vertriebene beschlagnahmt,(17)
so dass es schließlich erst ab 1948 zu einer Entschärfung der Raumlage kam.


2.3 Thematische Umstellungen
Die tiefer gehenden politischen Umgestaltungen wirkten sich in der Zeit des Nationalsozialismus auch auf die Schule aus.
Der Unterricht sollte einen „rassisch reinen“ deutschen Menschen bilden und erziehen helfen, der sich mit Volk und Heimat innig verbunden fühlt und sich den sittlichen und sozialen Forderungen seiner naturgegebenen Lebensgemeinschaft verständnisvoll und opferwillig unterwirft.(18)


Der Schwerpunkt wurde nun auf die körperliche und nationalsozialistische Gesinnung der Schüler gelegt und nicht mehr auf eine Bildung gemäß intellekuellen Maßstäben.(19)
Zuvor hatte man versucht die Schüler zu freien, gesitteten und zivilisierten Menschen zu erziehen, nun wollte der NS-Staat eine kritiklose Jugend ohne jegliche Individualität.(20)
Die Erziehung zu Ordnung, Pünktlichkeit und Toleranz anderen gegenüber wurde gelehrt. Die Schüler und Lehrer waren zum Instrument der Partei geworden.(21)

„Das Ziel der weiblichen Erziehung hat unverrückbar die kommende Mutter zu sein.“ (22)
Dieses Frauenbild, das der Nationalsozialismus propagierte, wirkte sich auf die Themen im Unterricht aus:
Die Schülerinnen sollten sich mehr auf den Beruf der Frau und Mutter konzentrieren und sich nicht mit wissenschaftlichen Themen beschäftigen.

In der neuen Unterrichtsform stand ein Tag praktischer Unterricht im Verhältnis zu fünf Tagen theoretischem Unterricht. Unter dem thematischen Überbegriff „Erziehung zur deutschen Frau und Mutter“ wurde unter anderem Kochen, Gesundheits- und Beschäftigungslehre und Säuglingspflege gelehrt.
Das Abitur musste nur noch mit einer Fremdsprache gemacht werden und naturwissenschaftliche Unterrichtsfächer einschließlich Mathematik wurden aufgrund der neuen Schwerpunkte gekürzt.
Ab 1935 gab es das hauswirtschaftliche Abitur, das als „Pudding-Abitur“ bezeichnet wurde, da dieses mit nur einer Fremdsprache zu absolvieren war und es im Abitur eine praktische Prüfung gab, die zum Beispiel das Kochen eines Menüs vorschrieb. Der offizielle Name für das hauswirtschaftliche Abitur war jedoch „Werk-Abitur“.(23)
Die wissenschaftlichen Fächer wurden schriftlich und mündlich geprüft.
Das Werkabitur berechtigte nur zum Studium der Wirtschaftswissenschaften an Universitäten; für alle anderen Fachrichtungen mussten Ergänzungsprüfungen gemacht werden.
Um das Werkabitur zu erhalten, waren in jedem der drei Oberstufenjahre vierwöchige Praktika im Kinder- und Säuglingsheimen notwendig. Jedoch wurde den meisten Mädchen geraten, vorzeitig die Schule zu verlassen, da ihre eigentliche Aufgabe die der Frau und Mutter sei, und diejenigen, die ein wissenschaftliches Abitur machen wollten, waren gezwungen auf Schulen in Lübeck zu wechseln.(24)

Für den Haushaltsunterricht wurden extra Räume im Untergeschoss des Hauptbaues (Keller) und im Anbau eingerichtet. Zwei bisher für die biologische Sammlung genutzte Räume im Seitenflügel wurden zu einer großen Küche mit sich anschließendem Esszimmer und Speisekammer umgebaut und zwei Räume wurden für Nadel- und Hausarbeit eingerichtet.(25)

Die damaligen Aufsatzthemen und die für die Reifeprüfung festgelegten schriftlichen Aufgaben spiegelten die starke Beschäftigung der Schulen mit nationalen und tagespolitischen Fragen wider. Besonders die Lehrpläne für Biologie wurden umgestaltet. Themen wie Lebens- und Rassenkunde, Vererbungslehre und Bevölkerungspolitik rückten in den Mittelpunkt des Unterrichts.(26)


I. Praktische Fächer (verbindlich):
a) Ernährungslehre und Kochen, Hausarbeit, Gartenbau, Rechnen und
Buchführung
b) Gesundheitslehre, Säuglings- und Kleinkinderpflege, Krankenpflege
c) Erziehungslehre, Kleinkindererziehung und -beschäftigung

II. Wissenschaftliche Fächer:
a) Religion
b) Deutsch
c) Geschichte
d) Bürgerkunde und Volkswirtschaftslehre

III. Technische Fächer:
a) Nadelarbeit
b) Leibesübungen
c) Musik (27)

Inhalte und die damit verbundenen Ziele einzelner Fächer:

Deutsch:
Das Ziel des Deutschunterrichts war es, bei den Schülerinnen das Bewusstsein zu wecken, eine Deutsche zu sein. Die Mädchen erfuhren „das Ganze des völkisch-geschichtlichen Lebens vom Altertum bis zur jüngsten Vergangenheit“. Dabei gab es vier Themenkreise:

Das Volk als
1) Blutsgemeinschaft
2) Schicksals- und Kampfgemeinschaft
3) Arbeitsgemeinschaft
4) Gesinnungsgesellschaft (28)

Den gelesenen literarischen Texten oder Dichtungen wurden ideologische Sinngehalte entnommen.
Es wurde die Literatur gelesen und empfohlen, die patriotische Gefühle weckte und Wörter wie „Heimat“, „deutsch“, „Held“ oder „völkisch“ beinhaltete.
Im Deutschunterricht wurden aber auch Themen wie die Sprach- und Sprecherziehung, Rechtschreibung und Zeichensetzung gelehrt.
In den selbst geschriebenen Aufsätzen der Schüler durften dabei keine Worte wie „heldisch“, „völkisch“, „Blut“, „Ehre“ vorkommen, da es sonst zu einem Verschleiß dieser Worte komme. Arbeiten der Schüler sollten nicht ihre persönliche Gesinnung verdeutlichen.(29)

Deutsche und fremdsprachliche Aufsätze und Arbeiten der Klassen 6-8:

Klasse 8: Kl 1 a. Was berechtigt uns zur Siegeszuversicht im Kampf gegen England? […]
Kl 2 a. Wir daheim. Rückblick auf das Kriegsjahr 1939/40
b. Das Bild des deutschen Soldaten im Lichte der Kriegswochenschau. […]

Examensthemen: […]
Die erzieherische Bedeutung [sic!] des Arbeitsdienstes für den jugendlichen Menschen.
[…] (30)

Mathematik:
In Mathematik wurden Aufgaben gestellt, die den Krieg verherrlichten und ihn in den nachfolgenden Aufgabenstellungen rechtfertigten.

„Deutschland musste gemäß dem Versailles Vertrag alle seine Kolonien abgeben (eine Liste der verlorenen Kolonien mit Angaben zur Größe und Bevölkerung wurde beigelegt)

a) Wie groß war Deutschlands Gesamtverlust an Raum und Bevölkerung?
b) Wie groß war der Gewinn jedes einzelnen Siegers an Raum und Bevölkerung?
c) Um wie viele Male größer ist das verlorene als das deutsche?
d) Vergleiche die Größe der deutschen Bevölkerung mit der Größe der Bevölkerung in den verlorenen Gebieten!“ oder

„Wie viele Personen können in einem Schutzraum Unterkunft finden, der 5 m lang, 4 m breit und 2.25 m hoch ist, wenn man mit dreistündigem Aufenthalt im Keller rechnet und wenn für die Person in einer Stunde 1 cbm Luft benötigt wird?“ (31)

Geschichte:
In Geschichte wurde die Gegenwart als „Blütezeit“ dargestellt. Die Vergangenheit wurde so beschrieben, dass die Gegenwart positiv erschien. Es wurden Schriften wie der Versailler Vertrag verfälscht, um bei den Schülern den Hass gegen die europäischen Nachbarn zu verstärken bzw. zu entfachen.
Es sollte der Glauben an Deutschlands Größe und an seine große Zukunft geweckt werden, „Nationalstolz“ und Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Heimat sollte gefestigt werden.(32)


Biologie:
Wie schon genannt, war das Fach Biologie für die Nationalsozialisten besonders geeignet, um die sozialdarwinistische Ideologie intensiv zu verbreiten. Themen in Biologie waren unter anderem die Darstellung und Begründung der nationalsozialistischen Rassenlehre,
die Vererbungslehre, die Abstammungslehre, die Ursachen der Artenentwicklung, die Abstammung des Menschen, die menschlichen Rassen und Unterrassen, die rassenmäßige Zusammensetzung des deutschen Volkes, die Erbgesundheitslehre und die Bevölkerungspolitik und die „Aufnordung“ des deutschen Volkes, aber es wurden auch Herbarien angelegt oder die Befruchtung besprochen.

Englisch:
Die englische Sprache wurde im Unterricht gelehrt, da sie eine Sprache eines rassisch verwandten Volkes sei.(33)

Religion:
Im Religionsunterricht behandelte man den nationalsozialistischen und den christlichen Glauben. „Hitler stellte sich mit Gott auf eine Stufe, seine Lehren wurden als das „Evangelium“ bezeichnet."(34)

Erdkunde:
In diesem Fach wurde die „Verschiedenheit der Rassen“ behandelt und „die besondere Leistung der nordischen Rasse“.(35)

Physik:
Es wurden Themen wie die Luftfahrt, der Schall, Schallmessung, Wetterkunde oder Pioniermechanik behandelt, da sich all diese Fächer auf die Kriegsführung beziehen ließen.(36)

Chemie:
Die Behandlung von Themen wie Zusammensetzung von Sprengstoffen, Kampfstoffen und Luftschutz waren vorgesehen.(37)

Handarbeitsunterricht:
Im Handarbeitsunterricht wurde Kleidung genäht oder für die Soldaten an der Front gestrickt. Es wurden aber auch auf den Feldern Kräuter gesammelt, bestimmt und gepresst. Man übte wurde das Verhalten bei Fliegeralarm und die Schülerinnen arbeiteten auf den Feldern umliegender Höfe.

Säuglingspflege:
Der Unterricht der Säuglingspflege ging nur über drei Monate. Es wurde in einem „Säuglingszimmer“, einem Raum auf der Höhe der heutigen Aula, der Umgang mit Säuglingen anhand von Puppen und deren Zubehör gelehrt.(38)

Beschäftigungslehre:
In dem Fach Beschäftigungslehre wurde den Schülerinnen der Umgang mit Kindern beigebracht.(39)

In der Schule wurde jedoch vor allem sehr viel gekocht. Im Schulgarten, der aus einem Kräuter- und Gemüsebeet an der heutigen Voß-Schule bestand, wurden eigene Kräuter dafür gezogen.(40)

Als Anfang September 1939 der Krieg begann, waren Änderungen der Stundenpläne notwendig, da einige Lehrer in den Heeresdienst gerufen wurden. So leisteten auch die Schülerinnen des Lyzeums jeden Dienstag und Freitag unter Anleitung von Frau Bauer für die „NS- Volkswohlfahrt“ Nähhilfe.

Nach dem Krieg kam es erneut zu einer Änderung der behandelten Themen bzw. der Schwerpunktsetzung der Themen in der Schule. Dieser Wandel dauerte lange, so dass das Niveau des Unterrichts aus der Weimarer Republik nur langsam erreicht wurde. So war für das erste Nachkriegsabitur die folgende Frage in einer Abiturprüfung in Physik von 1946 bezeichnend: „Wie funktioniert ein Staubsauger?“ (41) Die damaligen Unterrichtsverhältnisse waren immer noch schlecht, da viele Lehrer fehlten und die Unterrichtszusammensetzung ständig wechselte.

Die Lehrer hatten sich von nun an an strenge Richtlinien zu halten:
„Kein Lehrer darf, ganz gleich welches Thema er behandelt, irgendetwas in seinen Unterricht einflechten, das
a) den Militarismus verherrlicht,
b) versucht, die Lehren des Nationalsozialismus zu verbreiten, wiederzubeleben oder zu rechtfertigen oder die Leistungen von Nationalsozialisten hervorzuheben,
c) eine Politik der Rassen- oder Religionsunterschiede begünstigt, feindselig ist, oder versucht, die Beziehungen zwischen irgendeiner der Vereinten Nationen zu stören,
d) den Kriegsausbruch oder Mobilisierung oder Kriegsvorbereitungen erklärt, ob auf wissenschaftlichem oder industriellen Gebiet, oder das Studium der Militärgeographie fördert,
e) die körperliche Ausbildung darf nicht bis zu einem Punkt ausgelegt oder ausgeführt werden, wo es rein – militärische Übung sind.“(42)

Ab 1947/48 gab es wieder Klausuren in wissenschaftlicher Form, wobei die hauswirtschaftlichen Klausuren noch nebenbei bestehen blieben.
Auch in den ersten Jahren der Nachkriegszeit blieben Fächer wie Nadelarbeit und Kochen erhalten. Das Fach Politik gab es noch nicht und da in Geschichte das 20. Jahrhundert ausgelassen wurde, sprach man im Unterricht nicht über den Nationalsozialismus.
Auch die Aufgabenstellung in den Abiturprüfungen änderte sich vollkommen.

Themen bei einer Abiturprüfung 1949 in Deutsch (eine Frage ist auszuwählen):

1. Einkehr bei einem deutschen Dichter.
2. Welche sittlichen Forderungen stellt wissenschaftliches Arbeiten
an den Menschen?
3. Wie kann die Frau von heute zur Förderung des Friedens
beitragen?

Der wissenschaftliche Unterricht wurde wieder verstärkt, so dass der Stundenplan einem heutigen glich. Die Fächer waren Deutsch, Erdkunde, Englisch, Geschichte, Latein, Französisch, Biologie, Singen, Mathematik, Religion, Physik, Zeichenkunde, Handarbeit, Chor und Turnen.(43)


2.4 Abweichungen vom Schulalltag

2.4.1 Veranstaltungen
Feste und Aktivitäten können dazu benutzt werden, spezifische Ideologie zu transportieren und junge Menschen zu manipulieren.
Es lag daher im staatspolitischen Interesse der „völkischen Erziehung und Volksbildung“, dass schulische Feste gemäß Vorgaben der Partei ausgeweitet wurden.
Folgende Beispiele mögen dies verdeutlichen:

Die offizielle Schulfeier wurde bereits in der Weimarer Republik seit 1920 am 18. Januar (Reichsgründungstag) begangen – was Rückschlüsse auf die z.T. revisionistische Grundhaltung der Lehrerschaft erlaubt. Jedes Jahr verwies der Schuldirektor und überzeugte Monarchist Wilhelm Harders auf die „ruhmreiche Geschichte“ des Kaiserreiches und forderte bereits im Jahr 1925, die Jugend solle „ein neues, starkes Reich“ errichten.(44)
Antirepublikanisches Gedankengut entstand demnach nicht erst unter der NS-Herrschaft, sondern war in Teilen der Bevölkerung bereits vorhanden. Es ebnete den Weg für nationalsozialistische Ideologeme.
Nach der Machtübernahme in Eutin im Sommer 1932 knüpfte Harders mit Reden ähnlichen Inhalts an die Tradition an, verengte die Perspektive dabei jedoch auf die Führerfigur Adolf Hitler, durch den der „ neue Aufbruch“ (45) wirklich geworden sei.
Seit 1932 drängte man Ansätze einer republikanischen Schulpolitik zurück: Der 11. August (Verfassungstag) wurde als Feiertag abgesetzt, im und am Lyzeum wurden Bilder und ein Gedenkstein zu Ehren Friedrich Eberts entfernt.(46)
Stattdessen erhielt das Schulleben eine allgegenwärtige nationalistische Prägung, die in den Führer-Porträts sowie dem obligatorischen Hitler-Gruß ihren „sicht- und hörbaren Ausdruck“ (47) fand.

„Der 11. März 1933 war schulfrei aus Anlaß des gewaltigen Sieges des nationalen Deutschlands[...]. Am Tage vorher wurde in allen Klassen in der letzten Stunde auf die Bedeutung des Wahlsieges vom 5. März für die deutsche Zukunft hingewiesen“.(48)
Bereits damals, sechs Wochen nach Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, wird deutlich, wie nationalsozialistische Zielsetzungen von Anfang an in den erzieherischen Alltag der Schule hineinwirkten.
Auch am 21. März, dem Eröffnungstag des neuen Reichstages in der Kroll-Oper, wurden die Schulen geschlossen. Das Sozialministerium hatte dies verordnet, um den Schülern die Gelegenheit zu geben, Hitlers Ansprache zu hören (49) (In späteren Jahren wurden die Hitlerreden regelmäßig über Rundfunk in der Aula übertragen).
Mit den Feiern am 21. März, der zugleich 62. Jahrestag der Eröffnung des ersten Reichstages im Kaiserreich war, schlug Hitler eine Brücke zu der als ruhmvoll empfundenen monarchischen Vergangenheit.
Die Weimarer Republik erscheint dagegen als unbedeutendes, demokratisches „Zwischenspiel“.(50)

Unzählige Feierlichkeiten, die der politischen Indoktrination dienten, unterbrachen das Schuljahr. Ob Gedenktage zu Ereignissen wie dem Tod des Reichspräsidenten von Hindenburg (2. August 1934) oder die alljährlichen nationalsozialistischen Festtage,
jeder propagandistisch geeignete Anlass wurde genutzt:
Der Muttertag wurde ideologisch verklärt zum „Ehrentag der deutschen Mutter, als der Hüterin und Pflegerin eines stolzen Nachwuchses“. Das war von besonderer Bedeutung für die Schülerinnen, die auf ihre Rolle als „kommende Mutter“ vorbereitet werden sollten. Die Mädchen sollten an diesem Tag ein Bekenntnis „zur artreinen, erbgesunden und kinderreichen deutschen Familie“ (51) ablegen.
An nationalsozialistisch bedeutsamen Tagen fiel die Schule aus. Das gilt z.B. für den Feiertag anlässlich der „Machtergreifung“ (30. Januar), eingeführt als „Ersatz“ für den abgesetzten Verfassungstag, und für Hitlers Geburtstag (20. April), was den zunehmenden Führerkult widerspiegelte. Auch am 1. Oktober, dem Erntedanktag bzw. „Tag der deutschen Bauern“, war schulfrei. (52) Die Jugend musste am letzten Schultag vor dem 1. Oktober einen Bauernhof besichtigen und erhielt eine Schrift über die Bedeutung des Bauernstandes, betitelt „Blut und Boden, die Grundlage der deutschen Zukunft“. Diese Schrift hatte das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda neben anderen wirtschaftspolitischen Materialien für den Unterricht ausgearbeitet. Auf der Grundlage von Bildern und Grafiken wurde die „Lebensraumideologie“ veranschaulicht, der zu Folge die Deutschen einerseits ein „Volk ohne Raum“ seien, andererseits im Osten einen „Bauernwall gegen die andringenden Slawen“ errichten müssten.(53) Im agrarisch geprägten Eutin mag dies einen besonderen Eindruck bei den Schülerinnen hinterlassen haben.
Indem nationalsozialistische Ideologie so selbstverständlich in den Schulalltag integriert wurde, sollte in den Köpfen der Jugendlichen allmählich ein Bewusstsein von der deutschen „Volksgemeinschaft“ und deren angeblichen Feinden entstehen. Ob dies zu einer Akzeptanz oder sogar Billigung des Krieges geführt hat, soll im Gespräch mit einer Zeitzeugin vorsichtig angesprochen werden.
Die angespannte außenpolitische Situation beeinflusste das Schulleben nur insofern, dass diplomatische Erfolge gefeiert wurden. Dies gilt z.B. für eine Veranstaltung am 30. September 1938 anlässlich des Münchener Abkommens,(54) in dem Hitlers Forderung nach einer Abtretung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich erfüllt wurde.
Regelmäßig wurden Propagandafilme vorgeführt, beispielsweise der „Triumph des Willens“ über den NSDAP - Reichsparteitag 1934 von Leni Riefenstahl. Vor Beginn eines Films zeigte man immer eine Wochenschau, um scheinbar authentisch über aktuelle politische Ereignisse zu berichten; tatsächlich aber um Krieg und Militarismus zu verherrlichen. Die Beiträge thematisierten oft außenpolitische Siege des Reiches. Im Juni 1940 vermerkt der Jahresbericht beispielsweise einen Beitrag über die (erfolgreiche) Flandernschlacht.
Neben den thematischen Umstellungen in den Schulfächern waren Aktivitäten und Feierlichkeiten ein wichtiger Baustein in dem Konzept, die Schülerinnen im Sinne der Ideologie zu erfassen und auszurichten.

In der Nachkriegszeit setzte man Andachten und Feierstunden auf ein Mindestmaß herab. Das hatte neben den politischen v.a. pädagogische Gründe, weil der Unterricht möglichst selten ausfallen sollte. Trotzdem konnten die Stundenzahlen nur annähernd erreicht werden, denn wegen der Fahrschüler war die Unterrichtszeit auf das Intervall von etwa 9.00 bis 13.40 Uhr begrenzt.(55) Hauptsächlich beging man Geburts- oder Todestage berühmter Dichter und Denker, wie Feiern zu Ehren von Leibniz, Goethe und Schiller beweisen.(56)
Wahrscheinlich dienten sie als politisch unverfänglicher kultureller „Ersatz“ für die ideologisch durchwirkten Feierlichkeiten während der NS-Zeit.


2.4.2 Unterrichtsausfall
Mit Beginn des Krieges änderte sich auch die schulische Situation. Opfer waren die Schülerinnen, da ihnen Bildungsmöglichkeiten durch kriegsbedingte Unterrichtsausfälle nun z.T. genommen wurden. (siehe auch Schaubild)
• Vom 1. bis zum 25. September 1939 musste die Schule wegen Gefahr von Luftangriffen schließen.(57)
• Schon im zweiten Kriegsjahr 1940 kündigte sich ein Versorgungsmangel an. Weil Kohle zum Heizen fehlte, fiel die Schule vom 31. Januar bis zum 11. Februar wie auch vom 15. bis zum 19. Februar aus. Schülerinnen übernahmen „kriegswichtige“ Aufgaben, wie z.B. Kleiderverteilung, Ausgabe von Lebensmittelmarken, wurden für den Kriegshilfsdienst eingeteilt bzw. meldeten sich freiwillig.(58)
• Vom 19. Februar bis zum 2. März 1940 zog Militär in die Schule ein. Während dieser Zeit erhielten die Schülerinnen umfangreichere Hausaufgaben, um die Unterrichtslücken etwas auszugleichen. (59)
• Im Jahr 1943 fanden viele Flüchtlingsfamilien Unterkunft in den Räumen der Schule, so dass der Unterrichtsbeginn nach den Sommerferien um gut zwei Wochen verschoben werden musste. Die Familien wurden Tag und Nacht von Lehrkräften und Schülerinnen betreut, als Wache oder als Kochhilfe.(60)
• Weil zwei Lehrer zum Heeresdienst einberufen wurden und ständig neue Hilfskräfte eintraten bzw. alte ausschieden, musste die Stundenverteilung oft geändert werden.(61)
• Auch zu Arbeitseinsätzen wurden die Schülerinnen herangezogen: Vom 16. Juni 1943
setzte man sie z.B. für einen Monat zum Erbsenpflücken und Rübenverziehen ein, wie Lehrer Schönfeldt rückschauend beschreibt.(62)

• In den Nachkriegsjahren versuchte man, Arbeitseinsätze zu vermeiden.
Die Schule beteiligte sich im Spätsommer 1946 und 1947 an der Bekämpfung des Kartoffelkäfers, wobei es 1947 gelang, die Suchaktionen ganz auf die Nachmittage zu verlegen, damit der Unterricht stattfand. Für eine einmalige Aktion, wie z.B. das Sammeln von Heilkräutern am 3. Juli 1946, nutzte man einen Wandertag.(63)
• Auch in den Nachkriegsjahren wurde der Unterricht einmal vom 20. Februar bis zum 10. April 1947 wegen Kälte und Kohlemangels ausgesetzt.
Die Klassen erhielten nach einem festgelegten Plan an drei Wochentagen Hausaufgaben in den Hauptfächern. Nur die 8. Klassen wurden in dem heizbaren Handarbeitsraum unterrichtet. Eine ehemalige Abiturientin berichtet, dass sie nach dem Unterricht oft in der Schule blieb, um beim Lernen die Restwärme der Heizung zu nutzen.(64)
• Aufgrund einer Typhusepidemie wurde der Unterrichtsbeginn nach den Sommerferien vom 19. auf den 26. August 1947 verschoben.
Da außerdem mehrfach Schutzimpfungen durchgeführt worden waren, betraf diese Epidemie die Schülerinnen jedoch kaum.(65)
• Die Entbehrungen verursachten häufig Erschöpfungszustände und Krankheiten bei den Lehrern, so dass das Kollegium fast nie vollständig war. Oft fiel der Unterricht deshalb aus.

Insgesamt betrug der Unterrichtsausfall für 1944, das vorletzte Kriegsjahr, 61 Stunden.
Im Nachkriegsjahr 1947/48 fanden in 36 ausgezählten Schulwochen insgesamt 54 Unterrichtsstunden nicht statt, also im Durchschnitt 1, 5 Stunden pro Woche.(66)
Vergleicht man dies mit einer derzeitigen 6. Klasse unserer Schule, ergibt sich folgendes:
In 23 ausgezählten Schulwochen fielen zehn Unterrichtsstunden aus, in elf Stunden beschäftigten sich die Schüler selbst oder erhielten eine Aufgabe. Man erhält einen Schnitt von knapp einer unterrichtsfreien Stunde pro Woche.


Lehrer



3.1 Veränderungen im Kollegium
„Als die NSDAP […] (68) an die Macht kam, wurde die Lehrerschaft einer „Säuberung“ unterzogen […].“ Die Lehrkräfte mussten an Schulungen teilnehmen, die die Lehren des Nationalsozialismus verbreiteten. Zudem bekamen die Lehrer die Kündigung angedroht, wenn sie nicht einer nationalsozialistischen Partei oder einer ihrer Unterorganisationen beitreten würden.
Innerhalb eines Jahres traten 75 Prozent der Lehrer in die NSDAP, die SS oder die SA ein. Sie übten von nun an ihren Beruf im Sinne der Partei aus.(69)
Besonders der Lehrernachwuchs unterlag einer strengen ideologischen Kontrolle. Das Ziel war die Heranbildung einer in NS-Kategorien handelnden Erzieherschaft, deren Gedankenwelt („Blut, Boden, Rasse, Volkstum“) der des Regimes restlos entsprach und von ihr vor den Klassen ohne Widerspruch vertreten werden sollte.(70)
Jedoch waren nicht alle Lehrer von der Ideologie des Nationalsozialismus eingenommen. So sagte einmal die Lehrerin Fräulein Stukenberg: „ Nicht alle Juden sind schlecht!.“ Dies hätte sie damals ihre Stelle kosten können, wenn sie jemand verraten hätte, denn „wer Juden auch nur verbal in Schutz nahm, war des Verrates am deutschen Volk und höchst verdächtig“.(71)
Der Zeichenlehrer der Schule, Gottfried Wolf, gehörte zu denjenigen, die sich offen zum Nationalsozialismus bekannten. Er war einer der langjährigsten Mitgliedern der NS-Ortsgruppe Eutin. Wolf trat 1926 der Partei bei und zog Ende 1930 sogar in den Stadtrat ein. Zwischenzeitlich war er stellvertretender Bürgermeister der Stadt Eutin. Unter seiner normalen Kleidung hatte Wolf schon vor 1933 stets seine SA-Uniform an. Oft gab er im Kunstunterricht seinen Schülern den Auftrag, eine Vase oder einen anderen Gegenstand zu malen, den er vorne auf das Pult stellte und zog sich dann im Nebenraum um. Mit seiner Uniform entfernte er sich von der Schule und erledigte seinen SA-Dienst. Zwei Stunden später war er wieder im Zeichensaal, um die Zeichenstunde zu beenden.(72)

Es gab aber auch Lehrer jüdischer Herkunft auf dem Lyzeum.
Aufgrund des Gesetzes zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 07. April 1933 wurden deshalb die Studienrätin Marie Reinhardt und der Studienrat Dr. Adolf Philippson mit Wirkung vom 01. Oktober 1933 zur Disposition gestellt:

3.1.1 Der Großvater von Studienrat Dr. Adolf Philippson gehörte väterlicherseits der jüdischen Religion an. Philippson war im Jahre 1929 in das Beamtenverhältnis eingetreten. Es hieß, er sei national eingestellt, aber da er jüdischer Abstammung war, wurde er entlassen. Wegen seiner sehr ausgeprägten nationalen Einstellung wurde ihm jedoch eine Übergangsrente über sieben Jahre gewährt. Dr. Philippson erweckte in den Schülern starke nationale Selbstachtung und Stolz auf ihr Deutschtum. Nach seiner Entlassung zog er nach Berlin, wo er eine Buchhandlung eröffnete. Ilse Stukenberg trat an seiner Stelle neu ins Kollegium ein.
Nach dem Krieg kehrte er wieder als Studienrat nach Eutin zurück. Er starb 1974 in Berlin.(73)

3.1.2 Die Studienrätin Reinhardt hatte mütterlicherseits Großeltern, die ursprünglich jüdischer, später evangelischer Konfession waren. Frau Reinhardt war bereits am 01. April 1914 in das Beamtenverhältnis eingetreten und durfte deshalb wegen ihrer Abstammung nicht entlassen werden.(74)
Jedoch musste kurze Zeit später der Direktor, nach Aufforderung des Schulvorstandes, einen Bericht über Frau Reinhardt schreiben:

Schreiben des Direktors des städtischen Oberlyzeums an den Schulvorstand:
„[...] der Aufforderung des Schulvorstand entsprechend gebe ich nachstehend Bericht über die Studienrätin Reinhardt: [...] sie arbeitete in den ersten Jahren zur vollen Zufriedenheit. Seit der Revolution [von 1918] kam sie in ein anderes Fahrwasser. Sie ließ in ihrer Arbeit auffallend nach, zeigte sehr wenig Interesse und war im Dienst durchaus unzuverlässig. [...] ließ sie es stets an Pflichterfüllung und Treue in der Arbeit fehlen. [...] Ebenso war sie politisch stets unzuverlässig, ihre stark demokratische Einstellung kam auch in ihrem dienstlichen Verhalten zum Ausdruck. Sie wird nie in der Lage sein, die Schülerinnen im Sinne und Geiste der nationalsozialistischen Idee erzieherisch fördernd zu beeinflussen.“(75)

Studienrätin Reinhardt wurde zum 01. Januar 1934 in den Ruhestand versetzt. Sie erhielt ein Ruhegehalt und zog nach Darmstadt um, wo sie im Juli 1944 Selbstmord beging, als ihre Mutter von der Gestapo abgeholt wurde. Sie lehrte an der Schule insgesamt 20 Jahre Deutsch und neuere Sprachen.(76)
Bei den Schülerinnen war Frau Reinhardt sehr beliebt.(77)


Zur Schuleröffnung am 24. Januar 1946 waren nur noch 23,3 Prozent der ehemaligen Lehrkräfte im Dienst. Insgesamt wurden von 141 Lehrern 90 Lehrer aufgrund des Entnazifizierungsverfahrens entlassen. Der damalige Schulrat Ohrtmann hat sich jedoch in seinem damaligen Gutachten, die nationalsozialistische Funktion der Lehrer betreffend, so geäußert: „ Die Lehrerschaft Eutins war vor 1933 durchweg unpolitisch eingestellt; die Mehrheit neigte sogar demokratischen Parteien zu. Inneres Widerstreben bei Eintritt in die Partei verstärkte sich bedeutend, als der Nazistaat die Schule aufs gröbste vernachlässigte.“(78) Ohrtmann verwies zwar auf den Zwang für die Lehrer, in die Partei einzutreten, jedoch seien die Lehrer seiner Meinung nach nie wirkliche Nationalsozialisten gewesen.(79)


3.2 Kurzbiographien

Direktor Wilhelm Harders
Wilhelm Harders wurde am 5. Oktober 1873 in Erfde/ Kreis Rendsburg als eines von zehn Kindern eines Pastors geboren.
Bis zur Quarta erhielt er Privatunterricht von seinem Vater, der schon ein Jahr nach der Konfirmation seines Sohnes starb.
Da die Witwenrente seiner Mutter nicht zur Ernährung aller Kinder ausreichte, siedelte Wilhelm Harders zu seinem Onkel, einem Amtsrichter, nach Lübeck über. Dort besuchte er zusammen mit Thomas Mann das Katharineum. Einige Jahre später wurde der Onkel an das Amtsgericht Eutin versetzt. Wilhelm Harders kam nun an den Ort, den er abgesehen von den Universitätsjahren und der Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg bis zu seinem Tode nie wieder verlassen hat.
Nach dem Umzug trat er in die Obersekunda des Großherzoglichen Gymnasiums ein. Im Anschluss an sein Abiturexamen im Jahr 1894 begann Harders wie sein Vater ein Theologiestudium, das er mit Hilfe von Stipendien und Privatunterricht finanzierte.
Als Vikar übernahm er die Vertretung eines Pastors im Pommern, wo er etwa vierzig Predigten hielt. In dieser Zeit fasste er den Entschluss, in das Lehramt überzuwechseln. Er nahm eine Hauslehrerstelle auf Gut Schönow in Pommern an und kehrte anschließend als Hilfslehrer an die heutige Voß-Schule zurück, die er als Schüler besucht hatte.
Um die staatliche Anstellung zu erlangen, musste er die theologische Prüfung durch ein philologisches Fach ergänzen. Harders belegte daher Vorlesungen in Latein an der Kieler Universität. Nach Erwerb der Lehrerlaubnis erteilte das Oldenburgische Staatsministerium ihm die Anstellungsfähigkeit und beförderte ihn bald darauf zum Oberlehrer am Eutiner Gymnasium. 1910 wurde er zum Schulleiter des Lyzeums gewählt.
Neben seiner Lehrtätigkeit beteiligte sich Harders auch intensiv am kommunalen Leben. Er wurde in den Stadtrat gewählt und rückte zum Stadtratsvorsitzenden (heute Bürgervorsteher) auf.(80)
Außerdem amtierte er als erster Kreisleiter der DNVP im Landesteil Lübeck, bis er wegen seiner Verwicklungen in den Kapp-Putsch im März 1920 zurücktreten musste. Er verließ Eutin, kehrte jedoch bereits im Herbst zurück, um sein Direktorenamt weiterzuführen.(81)
Seine nationale Einstellung hat das Lyzeum geprägt. Das gilt besonders für die Schulfeste, die bis zu Harders´ Pensionierung im Jahr 1937 gefeiert wurden. Der Patriotismus des Schulleiters spiegelte sich in den Reden (siehe Veranstaltungen), aber auch in den Volkstänzen und „echten deutschen Volksmärchen“, die am Tag des Schulfestes in jedem Jahr aufgeführt wurden, wider.
Als nach 27 Jahren die „Ära Harders“(82) zu Ende ging, hatte das Lyzeum manche Wandlung durchlaufen (siehe thematische Umstellungen).
Harders starb im Januar 1959 im Alter von 86 Jahren.

Direktor Dr. Max Prange
Der Oberstudiendirektor Dr. Max Prange wurde am 24. August 1891 in Kiel geboren. Er besuchte dort die Volksschule und das Königliche Gymnasium und studierte anschließend in München, Berlin und Kiel. Sein Studium wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, da er als Kriegsfreiwilliger am Feldzug teilnahm. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm Prange das Studium wieder auf. Er absolvierte dieses schließlich in Kiel mit dem Examen pro facultate docendi mit den Hauptfächern Deutsch, Geschichte und Erdkunde.
Danach war er als Studienreferendar in Bad Oldesloe und am Reform-Realgymnasium in Kiel tätig.
Nach seiner parallel erarbeiteten Doktorarbeit und der Doktorpromotion sowie bestandenem Assessorexamen lehrte er ein halbes Jahr in Jena am Stoyschen Erziehungsinstitut. Es folgte die Ausübung seines Lehrberufes in Neumünster, Kiel und Lübeck. Ostern 1938 wurde er mit der kommissarischen Leitung des Lyzeums beauftragt. Seine Beförderung zum Oberstudiendirektor erfolgte nur ein Jahr später.
Dr. Prange wurde jedoch noch im selben Jahr in den Krieg eingezogen und machte als Hauptmann den Westfeldzug mit sowie den Ostfeldzug durch die Ukraine.
1942 kehrte er wieder an das Lyzeum zurück, so dass dem Studienrat Wolf die Aufgabe der stellvertretenden Leitung der Schule wieder abgenommen wurde.(83)
Prange sagte einmal selbst über seine Lehrzeit im Krieg: „Meine Amtszeit war eine schwere Zeit und zugleich eine schöne. Schwer: es waren die letzten Jahre des Krieges und die bösen, die ihnen folgten. Schwer, weil wir in dem Schulhaus, das damals noch keinen Anbau hatte, bis 600 Schülerinnen unterrichten mußten [sic!]. Für 200 war es gedacht [...].“(84)


Schüler



4.1 Soziale Herkunft (siehe Diagramm zu den Berufen der Väter im Anhang)
Eutin galt nicht nur als Schul-, sondern auch als Beamtenstadt.(85) Das widerspiegelte sich in der sozialen Herkunft der Schülerinnen: 147 von 802 Vätern bzw. 18, 3 % waren Beamte. Fast alle Schülerinnen gehörten - den Berufen der Väter zufolge - dem traditionell gut verdienenden Mittelstand an. Das ist nachvollziehbar, da erst im März 1948 die allgemeine Schulgeldfreiheit bis zum 18. Lebensjahr eingeführt wurde.(86) Töchter von Landwirten sind ebenfalls stark vertreten. Zum einen, weil die Gegend sehr agrarisch geprägt war, zum anderen wurden die Schülerinnen gerne aufgenommen, weil sie – laut einer Zeitzeugin – „häufig Fettpakete von zu Hause mitbrachten“.(87) Natürlich spiegeln sich die Auswirkungen des Krieges in dem Diagramm. Zehn Väter, unter den „übrigen“ vermerkt, besaßen eine Pension. Viele Schüler nutzten die Möglichkeit, als Pensionäre ihre sonst z.T. weiten Schulwege zu verkürzen. Da Pensionen so gefragt waren, war es für Neuzugänge schwer, eine geeignete zu finden (vgl. Brief von H. Röttke im Anhang).
92 bzw. 11, 5% der Väter waren gefallen oder in Kriegsgefangenschaft. Aus den Klassenbüchern geht hervor, dass davon fast ausschließlich die zugezogenen bzw. geflüchteten Schülerinnen betroffen waren. Väter anderer Flüchtlinge konnten ihren Beruf nicht ausüben, waren deshalb „außer Dienst“ und zum Teil als Land- oder Hilfsarbeiter beschäftigt.

Begabten Mädchen aus finanziell schwachen Familien, die das Schulgeld nicht aufbringen konnten, ermöglichte ein Stipendium den Schulbesuch. Allerdings waren nur in Eutin wohnhafte Schülerinnen berechtigt, ein Stipendium zu erbitten, da es „den Steuerzahlern nicht zuzumuten“(88) sei, die Kosten für Schülerinnen aus anderen Gemeinden zu übernehmen. Für die Schulgeldbefreiung musste ein Antrag bei der Stadt gestellt werden, in dem Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen zu legen waren.
Aus dem Jahr 1946 ist der Antrag eines Kriegsversehrten erhalten, der seinen Beruf als Schneider nicht mehr ausüben konnte. Neben Wohnungsgeld erhielt er nur 52 Reichsmark Wohlfahrtsunterstützung, so dass 25 Reichsmark Schulgeld pro Monat eine große finanzielle Belastung bedeutet hätten. Seinem Antrag wurde jedoch nicht sofort stattgegeben. Die Stadt begründete ihre Absage mit der Feststellung, die betreffende Schülerin sei „nicht überdurchschnittlich begabt“. Nachdem der Vater in einem erneuten Antrag erklärt hatte, seine Tochter habe „in Folge der Flucht aus Russland“ lediglich viel Stoff versäumt, der durch Fleiß wieder aufzuholen sei, wurde ihm das Schulgeld erlassen.
Die Erfahrungen des Schulleiters Wilhelm Harders, selbst Sohn einer kinderreichen Familie (siehe Kurzbiographie), mögen zu der „familienfreundlichen“ Regelung geführt haben, die seit dessen Direktorenzeit galt. Geschwisterkindern wurden ermäßigte Schulgeldbeträge gewährt: Für das zweite Kind waren nur 75 Prozent zu zahlen, für das dritte Kind 50 Prozent und für das vierte Kind 25 Prozent.(89)

4.2 Räumliche Herkunft (siehe Diagramm zu den Geburtsorten im Anhang)
Im Jahr 1933 kamen die meisten Schülerinnen aus Eutin oder aus dem Landesteil Lübeck (157 von 189).(90)
Nach dem Krieg, im Schuljahr 1947/48, stammten nur 136 bzw. 246 von 802 Schülerinnen aus Eutin bzw. aus dem heutigen Schleswig-Holstein.(91)
Über die Hälfte (etwa 51, 2%) war zugezogen; wie die über fast das gesamte ehemalige Deutsche Reich verteilten Geburtsstädte zeigen. Einige Schülerinnen, auf dem Schaubild „Herkunft“ unter den „übrigen“ vermerkt, .stammten sogar aus Österreich, Estland oder Lettland. Die auffallend unterschiedliche räumliche Herkunft lag zum Großteil an den Flüchtlingen. Als im Sommer 1940 die Kinderlandverschickung einsetzte, nahm die Schule Gastschülerinnen aus den luftgefährdeten Städten Kiel, Hamburg und Bremen auf. Nach den verheerenden Luftangriffen auf Hamburg Ende Juli 1943 strömten Flüchtlinge nach Eutin. Später kamen jene (besonders aus deutschen Ostgebieten), die in ihrer Heimat geblieben waren und vertrieben worden waren.
Die Frequenzzahlen stiegen sprungartig an: Der letzte Friedensstand betrug 214 Schülerinnen. Im Schuljahr 1942/43 schnellte die Zahl auf 303 hoch, ein Jahr später auf 413.
1944 nahmen die Luftangriffe auf deutsche Großstädte zu. Aufgrund der Flüchtlinge verzeichnet der Jahresbericht 671 Schüler. Folglich mussten fast alle Klassen geteilt werden. Trotzdem waren die Unterrichtsräume überfüllt. Auf etwa 30-35 Kinder berechnet, mussten sie nun bis zu 70 Mädchen aufnehmen.(92)
Im Klassenbuch einer Quinta konnte der Sitzplan nicht ausgefüllt werden, da zwölf anstatt der vorgesehenen sechs Kinder nebeneinander saßen.

Nach dem Krieg meldeten sich einerseits laufend neue Flüchtlinge aus dem Osten und Rückkehrer aus Dänemark. Andererseits zogen Bombengeschädigte zurück in ihre Heimatstädte oder in andere Orte, wenn ihre Familien dort z.B. gesicherte oder besser bezahlte Arbeitsplätze fanden. Die durchschnittliche Schülerzahl blieb so recht konstant bei etwa 600.(93)
Aufgrund einer Reform im März 1948, welche die sechsjährige Grundschulpflicht einführte, fiel zunächst die Sexta weg, im Folgejahr 1949/50 auch die Quinta. Daher sank die Schülerzahl und betrug so z.B. am 15. Mai 1948 nur noch 549 Schüler.(94)

Ein großes Problem war der unterschiedliche Kenntnisstand, der darauf zurückzuführen ist, dass viele Schülerinnen – nicht nur Flüchtlinge - lange keinen Unterricht gehabt hatten. Aufgrund hoher Defizite im Schulstoff wurden einige zurückversetzt, was das relativ hohe Durchschnittsalter der Schülerinnen erklärt: Am 1. Februar 1948 betrug es in einer Sexta, wie im Klassenbuch vermerkt wurde, z.B. elf Jahre und zehn Monate.

Von den 802 erfassten Schülerinnen waren 606 evangelisch, 146 katholisch, 32 gehörten anderen christlichen Glaubensrichtungen an (z.B. Mennoniten) und 20 waren bekenntnislos. Es gab keine Juden. Der relativ hohe Katholikenanteil ist sicher durch die Flüchtlinge aus z.T. traditionell katholischen Gebieten wie Westpreußen zu erklären.


4.3 Vereine
Vereine und Organisationen spielen eine wichtige Rolle für die körperliche sowie geistige Entwicklung von Heranwachsenden, da diese dort einen großen Teil ihrer Freizeit verbringen. Während Unterricht und Schule am Vormittag besonders fachliche Kompetenzen fördern, werden soziale Fähigkeiten v.a. am Nachmittag geformt. Vereine beeinflussen Sozialverhalten und Zusammengehörigkeitsgefühl dabei in erheblichem Maße.
Vor der Machtübernahme der NSDAP in Eutin gab es neben den örtlichen Turnvereinen auch eine Turngruppe im Lyzeum, die von der technischen Lehrerin Johanna Frick und dem Zeichenlehrer Wolf geleitet wurde. Sie umfasste zwischen 1925 und 1932 40 bis 70 Mitglieder.
Zahlenmäßig bedeutsamer war der „Verein für das Deutschtum im Ausland“ (VDA). Bereits im Gründungsjahr 1927 traten ihm 150 Schülerinnen bei. Zu den Aktivitäten gehörten neben der Teilnahme an Tagungen auch regelmäßige Sammlungen für Deutsche im Ausland und die nordschleswigsche Jugendspende, Gruppenabende mit Singen, Volkstänzen und Spielen. Geleitet wurden die Treffen von Schülerinnen der Oberstufe und einem betreuenden Lehrer.
Da die Mitgliederzahlen sanken, verloren beide Vereinigungen Ende der Zwanziger Jahre allmählich an Bedeutung, 1932 wurden sie im Zuge der „Gleichschaltung“ anscheinend dem BDM angegliedert oder aufgelöst.(95)

Die Schülerinnen schlossen sich nun immer mehr den „Jungmädeln im Bund deutscher Mädchen“ oder dem „Deutschen Jungvolk“ an, während die Lehrer/innen Mitglieder im NS-Lehrerbund wurden.
Seit 1937 waren sämtliche Schüler der Stadt in der Hitlerjugend oder im Jungvolk organisiert.(96)
Der Bund Deutscher Mädel (BDM) entstand im Juni 1930 als Teilorganisation der männlichen Hitlerjugend (HJ), die vier Jahre zuvor gegründet worden war. Seit dem 7. Juni 1932 bildete der BDM die einzige parteiamtliche Mädchenorganisation der NSDAP.

Es gibt verschiedene Gründe, warum die Mädchen dem BDM beitraten:
Viele lockte die attraktive Freizeitgestaltung, ein großer Teil der Jugendlichen wurde im Verlauf der Gleichschaltung aus anderen Verbänden übernommen. Besonders ältere Mädchen erhofften sich aber auch Vorteile für ihre eigene berufliche Karriere. Zudem wurde der BDM gerade von Töchtern bürgerlicher Familien als eine Möglichkeit betrachtet, sich den starren Konventionen des Elternhauses zu entziehen. Des weiteren wurde von Seiten des Staates auf Beamte und Angestellte, aber auch auf Selbstständige Druck ausgeübt, die Töchter dem BDM beitreten zu lassen. Die Tochter eines Dachdeckermeisters berichtet beispielsweise, dass städtische Aufträge an ihren Vater sich verminderten, nachdem sie die BDM-Mitgliedschaft verweigert hatte.(97)
Mit dem „Gesetz über die Hitlerjugend“ vom 1. Dezember 1936 wurde die bis dahin formell freiwillige Mitgliedschaft im BDM verpflichtend. Man fasste alle Jugendlichen offiziell in der HJ zusammen und erklärte den BDM neben Schule und Elternhaus zum dritten Erziehungsfaktor für die deutschen Mädchen. Der BDM untergliederte sich in den Jungmädelbund der Zehn- bis Dreizehnjährigen und den Bund Deutscher Mädchen der Vierzehn- bis Siebzehnjährigen. Die Organisationsformen des BDM waren weitgehend parallel zu denen der männlichen Hitlerjugend und deren Leitsatz „Jugend soll Jugend führen". So vertraten die Referentinnen der oberen Ebenen den Bund bei der Reichsjugendführung.
Ausgestattet mit weitgehenden Vollmachten leitete die BDM-Reichsreferentin den BDM eigenverantwortlich mit der Aufgabe, die weibliche Jugend von klein auf zu Trägerinnen der NS-Ideologie und zu Tugenden wie Gehorsam, Pflichterfüllung, Disziplin, Opferbereitschaft und Körperbeherrschung zu erziehen.(98) Das Tragen von Uniformen gewann zunehmend an Bedeutung. Viele finanziell schwache Familien empfanden diese Entwicklung als einfach, kostengünstig und deshalb positiv, zumal da in der Hitlerjugend Uniformstücke an bedürftige Jugendliche verteilt wurden.(99)
Eine Schülerin des Lyzeums, Jungmädelgruppenführerin im ihrem Heimatort, trug jeden Tag ihre Uniform zur Schule. Die Uniform bestand aus einem dunkelblauen Gardinenrock und einer weißer Bluse mit weißen Knöpfen, welche die Buchstaben HJ für „Hitlerjugend“ trugen sowie aus einem schwarzen Dreieckstuch. In der linken Brusttasche steckte für alle sichtbar die grüne Schnur der Scharführerin.(100)
Die Inhalte der Jugendarbeit in den einzelnen „Mädelschaften" bestanden hauptsächlich aus weltanschaulichen Schulungskursen mit Volks- und Rassenkunde, aus kultureller Erziehung mit Volkstänzen und Liedern, Aneignung hauswirtschaftlicher Fähigkeiten sowie aus Sport. Die „Heimabende" der Jungmädelschaft fanden dreimal im Monat, die der Jungmädelschar einmal im Monat statt, außerdem veranstaltete man wöchentlich einen Sportnachmittag.(101) Die sportliche Erziehung zielte ab auf Disziplinierung und körperliche Ertüchtigung, wie es dem NS-Frauenideal entsprach. In der Praxis bestand das BDM-Sportprogramm aus Leichtathletik, Sportspielen und Gymnastik. Marschieren wurde hier zunächst als wichtiger Bestandteil der körperlichen Ertüchtigung angesehen, ebenso wie Geländespiele. Diese Aktivitäten galten allerdings später als „vermännlichend" und wurden daher nicht mehr durchgeführt.

Für sportliche Leistungen und erworbenes Wissen in den wöchentlichen „Heimabenden“ konnten die Mädchen je nach Altersstufe verschiedene Leistungsabzeichen erhalten, die von der Jungmädelprobe bis zum BDM-Leistungsabzeichen in Gold reichten.(102)
Eigenes Denken und kritische Äußerungen waren sowohl in der Schule als auch in den politischen Vereinen unerwünscht.


Nach 1945 wollte die Militärregierung den ehemaligen Vereinen und Organisationen die Möglichkeit geben, sich neu zu bilden. Damit dies nicht von nationalsozialistischen und militaristischen Strömungen ausgenutzt wurde, waren Sportarten wie Schießen, Jiu-Jitsu und Judo verboten.
Es war Pflicht, dass die neuen Vereine nach demokratischen Strukturen aufgebaut waren. Regelmäßige Kontrollen sollten zeigen, ob alle Bestimmungen eingehalten wurden.
Die Jugendorganisationen besaßen große Verantwortung, da sie den Schülern Begriffe wie Demokratie, Kreativität und Individualität vermitteln sollten.(103) Man hoffte, die Jugend werde eigenständiges Denken lernen, nachdem sie jahrelang nur zu sturem Gehorchen erzogen worden war. Die Ideale der Ritterlichkeit, Ehrlichkeit und Großzügigkeit spielten dabei eine wichtige Rolle.
Besonders früh bildeten sich die Sportvereine in Eutin. Unter den ersten Vereinen waren die, welche nach der Machtübernahme ihre Unabhängigkeit verloren hatten, da sie in den „Reichsbund für Leibesübungen“ eingegliedert worden waren wie die eutinischen Vereine Riemann und Eutin 08.
Der sozialdemokratische Verein TSV Eichenkranz war sogar verboten worden.
Eutin 08 war als erster Verein nach dem Krieg wieder aktiv. 1945 gab es bereits eine Fußballmannschaft, die Spiele gegen die Mannschaft der Militärregierung austrug.
Der Arbeiter-Turnverein, der 1933 von den Nationalsozialisten aufgelöst worden war, traf sich wieder seit dem 2. Dezember 1945.
Die Turnerschaft Riemann wurde am 21. November 1945 erneut mit einer Handballriege ins Leben gerufen, wohingegen der Ostholsteinische Segelverein erst ab 1946 wieder neu gegründet wurde. Auf Einladung der Engländer segelte man regelmäßig Regatten gegen die britische Besatzungsmacht.
Am 23. Februar 1948 wurde der Ruderverein Germania neu gegründet. Dies geschah aufgrund des Einsatzes des Oberstudiendirektors Harders, der eine Schülermannschaft aufbauen wollte.(104)
Die Vereine besaßen eine besondere Bedeutung für Flüchtlinge, da sie ihnen die Möglichkeit boten, in die Gemeinschaft integriert zu werden. Die Mitgliederzahl stiegen infolge des Flüchtlingsstroms stark an.

Die Probleme der Vereine lagen darin, dass es an Turnhallen und Sportstätten fehlte. Deshalb wurde auf Feldern, in Sälen, Kurhäusern oder Hotels Sport betrieben.


Ebenso wie die Sportvereine entstanden auch Kulturkreise und Interessengruppen relativ früh.
Politische und religiöse Jugendvereinigungen wurden erst später gegründet, als die demokratische Grundhaltung der Menschen gefestigter zu sein schien.


4.4 Probleme des Alltags
Aus Sicht der Schülerinnen ergaben sich bereits während des Krieges zahlreiche Probleme, die sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit verschärften:
• Lehrer Schönfeldt berichtet in einem Tagebucheintrag am 15. Mai 1945 von etwa 250 Menschen, die vor einem Eutiner Bäckerladen vergeblich auf Brot warteten.(105) Es herrschte akuter Nahrungsmangel. Deshalb führte die Britische Militärregierung am 11. November 1946 die Schulspeisung für unterernährte Kinder im Kreis Eutin ein:
Wer nach einer ärztlichen Untersuchung vorgeschlagen wurde, erhielt eine warme Mahlzeit, die 350 Kalorien liefern sollte. Eine Portion kostete 30 Pfennig, doch für Kinder ärmerer Herkunft, deren Eltern die Kosten nicht aufbringen konnten, wurden Patenschaften mit Bewohnern Eutins geschlossen.(106)
Im Jahr 1948 erhielten 180 Schülerinnen des Lyzeums Freiplätze. Insgesamt wurden täglich 400 Portionen ausgegeben, die in der schuleigenen Küche zubereitet worden waren. Zu diesem Zweck wandelte man den Handarbeitsraum in eine Behelfsküche um.(107)
• Der Mangel an Kleidung geht aus vielen Entschuldigungen hervor. In einer schreibt die Mutter, dass ihre Tochter dem Unterricht fernblieb, weil ihr (einziger) Wintermantel geflickt werden musste.
 Mangelndes Schuhwerk führte zu häufigen Erkrankungen. Viele Versäumnisse waren die Folge, ohne dass die Leistungsanforderungen herabgesetzt wurden (vgl. Brief von H. Röttke im Anhang)
Material- und Raummangel verschlechterten die Lernbedingungen der Mädchen.
• Die Lehrmittel aus der NS-Zeit waren größtenteils ungeeignet, diejenigen aus der Zeit vor 1933 waren durch fremde Nutzung des Gebäudes verschwunden oder vernichtet.(108) Daher gab es für den Unterricht kaum noch Schulbücher, und zu Hause war aufgrund der beengten Wohnverhältnisse oft nicht einmal ein Arbeitsplatz vorhanden. Da es auch an Papier mangelte, schrieben viele Schülerinnen ihre Entwürfe für Hausaufsätze auf Zeitungsränder.(109)



4.5 Kurzbiographie der Schülerin Susanne Röttke(110)
Susanne wurde am 27.September 1935 im Kreis Marienburg/ Ostpreußen geboren. 1942 wurde sie eingeschult. Wahrscheinlich nach 1945, ungefähr im Alter von zehn Jahren, musste sie fliehen bzw. wurde von sowjetischen Truppen aus ihrer Heimat vertrieben.
Ihr Vater Karl, von Beruf Landwirt, geriet in sowjetische Gefangenschaft.
Ihre Mutter Hedwig musste den Problemen des Alltags deshalb allein begegnen.
Mutter und Tochter lebten in Winterhagen bei Neustadt, wahrscheinlich mit anderen Familien zusammen irgendwo einquartiert. (Einen Hinweis darauf liefert die Äußerung der Mutter, „eingezwängt in eine feste Waschordnung“ zu sein, siehe Brief im Anhang)
Susanne trat Ostern 1947, nach Besuch einer (Grund-) Schule in Sierksdorf, in die Sexta des Lyzeums ein.
Wie andere Fahrschüler auch war sie an einen langen Schulweg und feste Buszeiten gebunden (Ankunft: 8.30 Uhr; Abfahrt: 13.45 Uhr).
Am 1. September erkrankte Susanne. Sie konnte zwei Monate, bis zum 25. Oktober 1947, nicht am Unterricht teilnehmen. Das wirkte sich auf ihre schulischen Leistungen aus, v.a. im Fach Deutsch. Die ersten vier Deutscharbeiten hatte sie versäumt, dann schrieb sie eine sechs. Mutter Hedwig verfasste einen emotionalen Brief an die Deutschlehrerin, in dem sie um Verständnis und Nachsicht bat.
Aus gesundheitlichen Gründen besuchte Susanne drei Tage und noch einmal 16 Tage nicht den Unterricht (vom 11. November bis zum 13. November sowie vom 21. November bis zum 4. Dezember). An zwei Deutscharbeiten nahm sie deshalb nicht teil, doch in der folgenden verbesserte sie sich von einer sechs auf eine vier. Ab dem 4. Februar 1948 fehlte Susanne erneut. Im März enden die Klassenbucheintragungen. Susannes Name ist - ohne genaue Datumsangabe – mit dem Vermerk „abgegangen“ versehen.(111)

Susannes Schicksal mag ein Extrem darstellen. Es steht in einigen Punkten jedoch stellvertretend für viele andere.

In allen Klassenbüchern des Schuljahres 1947/48 finden sich Schülerinnen, bei denen nur wenige oder sogar keine Noten eingetragen wurden. Möglicherweise haben die Mädchen an den betreffenden Tagen gefehlt, wenn der mangelhafte Gesundheitszustand Schwächen und Erkrankungen hervorrief. Doch vielleicht mussten sie die Arbeiten auch nicht mitschreiben oder ihre Leistungen wurden nicht zensiert, weil diesen Schülerinnen durch Flucht und Vertreibung viel Unterrichtsstoff entgangen war. Vermutlich durften sie im Unterricht „mitlaufen“, wie Susannes Mutter es für ihre Tochter erbittet.


Schlussbemerkung



Mit der Währungsreform im März 1948 besserte sich die wirtschaftliche Lage zusehends. Die neue DM („Westmark“) bewirkte, dass die hohe Nachfrage durch das Angebot in den Geschäften gedeckt werden konnte. Vorher zurückgehaltene Waren konnte man wieder kaufen.
Der Landtag beschloss neben der erwähnten Schulgeldfreiheit Fahrkostenbeihilfen und (ab Untersekunda) Erziehungsbeihilfen für talentierte Kinder, die aus finanziell schwachen Familien kamen.
Der Gesundheitszustand von Lehrern und Schülerinnen wurde nun sogar als „sehr gut“ bezeichnet – dazu hat sicher die Schulspeisung beigetragen.
Im Sommer 1948, drei Jahre nach Beendigung des Krieges, lief der Unterricht im ganzen störungsfrei nach den vorgeschriebenen Stundenplänen.(112)
Bedeutsam für die Nachkriegsentwicklung des Lyzeums war sicher der „Verein der Freunde und Förderer“, welcher am 1. Juni 1949 gegründet wurde. Er hat die Schule in der Zeit ihres Neuaufbaus kontinuierlich mit Geldmitteln unterstützt. Mit der Hilfe des Vereins konnten dringend erforderliche Anschaffungen getätigt werden, wie etwa Ergänzungen der Schülerbibliothek. Deren Bestände waren, wie viele Schülbücher, nach dem Krieg entweder durch Fremdnutzung des Hauses zerstört oder aufgrund ihres nationalsozialistischen Inhalts entfernt worden.

Das Lyzeum, das seit 1953 nach dem Komponisten Carl Maria von Weber benannt ist, hat seit seiner Gründung viele Veränderungen erfahren.
Wir haben uns mit einem kleinen Ausschnitt der Schulgeschichte beschäftigt, dem Zeitraum von 1933 bis etwa 1948.
Im Mittelpunkt unserer Betrachtungen standen dabei vor allem zwei Themenbereiche.
Einerseits war es in unseren Augen wichtig, die totale Erfassung und Ausrichtung der Schülerinnen im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie darzustellen, indem wir die schulische Situation während dieser Jahre beleuchteten.
Andererseits wollten wir die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die Schüler und Lehrer veranschaulichen. Wir haben deshalb versucht, Schicksale von Tätern und Opfern zu schildern, aber auch von Personen, die sich nicht eindeutig einer dieser Kategorien zuordnen lassen.
Als angehende Abiturienten halten wir es für notwendig, sich intensiv mit der NS-Zeit auseinanderzusetzen, da sie auch über 60 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges unsere Gesellschaft prägt. Erst wenn wir die Lebensumstände in Vergangenheit und Gegenwart vergleichen, können wir würdigen, wie viel die Möglichkeit zur Ausbildung der individuellen Fähigkeiten in einem freiheitlichen, demokratischen Gemeinwesen bedeutet.


Quellen- und Literaturverzeichnis



Quellen
• Bericht über das Schuljahr 1940/41
(erstattet vom stellvertretenden Leiter der Schule Studienrat Wolf)
• Bericht über die Zeit vom 24. Januar 1946 bis Ostern 1948
(erstattet von Lehrer Dr. Wetzel)
• 22 Klassenbücher des Schuljahres 1947/48 + Entschuldigungen
• Jahreshefte:
• Abitur 1947, Marion Diercks; in: Jahresheft der Vereinigung der Ehemaligen der Carl-Maria-von-Weber-Schule Eutin (1958-1988)
• Erinnerungen an die Schuljahre während des Krieges, Sigrid Stocks, geb. Gätjen; in: Jahresheft der Vereinigung der Ehemaligen der Carl-Maria-von-Weber-Schule Eutin (1958-1988)
• Erinnerungen an Fräulein Stuckenberg, Agnes von Hase, geb. Carriere; in: Jahresheft der Vereinigung der Ehemaligen der Carl-Maria-von-Weber-Schule Eutin (1993/94)
• Papa Wetzel und das Jungmädel, Antje Thietz-Bartram; in: Jahresheft der Vereinigung der Ehemaligen der Carl-Maria-von-Weber-Schule Eutin (1992/93)
• Rede einer goldenen Abiturientin, Dr. Herta Meyer-Gelhausen, in: Jahresheft der Vereinigung der Ehemaligen der Carl-Maria-von-Weber-Schule Eutin (1991/92)
• Schulz-Luckenbach, Lilo: „Erinnerungsworte anlässlich der Jubiläumsfeier zum Goldenen Abitur am 5.6.1999“, in: Iding-Schröder, Sabine (Hrsg.): Jahreshefte der Ehemaligen der Carl-Maria-von-Weber-Schule Eutin (1999/2000)
• Zum Gedächtnis an Direktor Dr. Prange von Annemarie Rühmann, in: Jahresheft der Vereinigung der Ehemaligen der Carl-Maria-von-Weber-Schule Eutin (1991/92)
• Schönfeldt, Bruno: Tagebuchaufzeichnungen vom 16.04.1945 bis 02.08.1946, Ostholstein Museum
• Stadtarchiv: Akten „Städtisches Oberlyzeum“, Nr. 2878 sowie „Schulgeldbefreiung“, Nr. 2877
• Gespräch mit Frau M. (Besuch des Lyzeums 1927von bis 1933)
• Gespräch mit Frau F. (Abitur 1942)

Sekundärliteratur
• F.A. Brockhaus, Band 2, Wiesbaden 19847
• Bettin, Süntje: „Das Eutiner Schulleben zwischen Diktatur und Demokratie“, in: Schülerprojektgruppe des Carl-Maria-von-Weber-Gymnasiums:
„Eutin 1945: Leben im Umbruch“, Eutin 1996
• Loewel, Vanessa: „Vereine und Organisationen“, in: ebd.
• Mann, Erika: „Zehn Millionen Kinder“, Leipzig 1938
• Obermeier, Erwin: „Eine Schule in Eutin“, Bände 1 und 2 (o.J.)
• Philippson, Adolf: „Festschrift zur 50-Jahrfeier der Carl-Maria-von-Weber-Schule“, Eutin 1960
• Prühs, Ernst-Günther: „Geschichte der Stadt Eutin“, Eutin 1994
• Stokes, Lawrence D.: „Kleinstadt und Nationalsozialismus/
Ausgewählte Dokumente zur Geschichte von Eutin 1918-1945“,
Neumünster 1984
• Stokes, Lawrence D.: „Meine kleine Stadt steht für tausend andere....“, Eutin 2004

Bildnachweis
• Foto der Schule aus: Archiv der Bürgergemeinschaft Eutin e.V.
• Fotos der Lehrer aus: Jahreshefte der Ehemaligen der Carl-Maria-von-Weber-Schule Eutin, 1955-1988, 1988/89, 1989/90, 1995/96
• Fotos der Direktoren aus: Philippson, Adolf, a.a.O.


Abschließendes Interview zur Rezeptionsgeschichte



„Die Nazis waren aber gar nicht so schlimm“

„Die Nazis waren aber gar nicht so schlimm“. Dies war die erste Reaktion unserer Zeitzeugin Frau F., als wir sie zu dem Thema „Schulzeit im Nationalsozialismus/ Das Eutiner Lyzeum“ angesprochen haben.
Nachdem wir unsere Facharbeit fertiggestellt hatten, wollten wir neben der ehemaligen Schülerin Frau M. noch eine weitere Zeitzeugin befragen. Im Vordergrund sollte dabei die Rezeption des Nationalsozialismus damals und heute stehen.
Frau F., 1922 in Berlin geboren, hat sich freundlicherweise dazu bereit erklärt, uns ein Interview zu geben.

Als Frau F. ein halbes Jahr alt war, starb ihr Vater. Daraufhin zog sie mit ihrer Mutter zu ihren Großeltern nach Eutin, die dort ein Gut besaßen.
Von 1934 bis 1942 besuchte Frau F. das Eutiner Lyzeum. Weil sie Halbwaise war, musste sie kein Schulgeld zahlen (vgl. Facharbeit, 4.1 Soziale Herkunft der Schüler), doch trotz dieser finanziellen Entlastung war die Haushaltslage angespannt.
Die Mutter, Tochter eines wohlhabenden Gutsbesitzers, hatte, wie es „üblich“ war, jung geheiratet und keinen Beruf erlernt. Doch nachdem sie verwitwet war und ihre eigenen Eltern im Zuge der Weltwirtschaftskrise um 1930 fast alle Ersparnisse verloren hatten, war sie gezwungen, selbst Geld zu verdienen. Die Mutter absolvierte eine Ausbildung zur Hutmacherin und eröffnete kurz darauf ein kleines Geschäft in Eutin.

Frau F. hat ihre Schulzeit und die Lehrer des Lyzeums in positiver Erinnerung.
„Die Lehrer wollten nicht als Nationalsozialisten gelten und haben, mit nur einer einzigen Ausnahme, die Ideologie nicht offen verbreitet“, so Frau F. Allerdings habe auch kein Lehrer etwas gegen den Nationalsozialismus geäußert.
Ihr sei lediglich aufgefallen, wie unangenehm vielen Lehrern der obligatorische „Hitlergruß“ gewesen sei – einige hätten auf diese erzwungene „Gymnastikübung“ offenbar gerne verzichtet.

In Frau F. ´s Augen ist ihre Kindheit seit 1933 „normal“ verlaufen. Das Eutiner Lyzeum hat sie erst ab 1934 besucht, so dass ihr dort z.B. der Vergleich mit Unterrichtsinhalten aus der Zeit vor der „Machtübernahme“ durch die NSDAP fehlen.

Sie glaubt, in der Schule kaum Propaganda erlebt zu haben.
In Volkskunde und Biologie habe man gelernt, wo die „Wurzeln der Vergangenheit lagen“; auffällige rassistische Elemente im Lehrplan hat Frau F. nach eigener Aussage dort nicht wahrgenommen. Wir sind der Auffassung, dass die nationalsozialistische Ideologie nicht direkt gelehrt wurde, sondern sich sozusagen nur im Unterbewusstsein der Schüler „festsetzen“ sollte.

Auf gezielte Nachfrage erinnert Frau F. sich an die regelmäßig im Unterricht gezeigten Ausgaben der „Wochenschau“. Die scheinbar nie enden wollende, detaillierte Berichterstattung über den Verlauf des Zweiten Weltkrieges habe sie stets als ermüdend empfunden, denn der Krieg schien „so weit weg“. Frau F. vergleicht die Wochenschau mit heutigen Nachrichtensendungen, in denen die Informationen über aktuelle Kriege und Krisen (Libanon, Nahost) das Themenspektrum ebenfalls auffällig dominieren. Sie betont aber, dass die Wochenschauen früher stark vom parteipolitischen Programm geprägt gewesen seien. Andere Länder habe man damals stets negativ dargestellt, wohingegen heutige Sendungen um eine objektive und multiperspektivische Darstellung bemüht seien.
Frau F. sagt, Propaganda sei hauptsächlich über außerschulische Veranstaltungen oder Medien wie die Zeitung verbreitet worden.
Als prägendes Ereignis nennt sie die Bücherverbrennung in Eutin, die im Jahre 1938 abgehalten wurde. Frau F. zufolge war es eine Pflichtveranstaltung für alle Schüler, deren Sinn und Zweck von der damals 16–Jährigen – ganz im Sinne der Ideologie - nicht kritisch hinterfragt wurde, sondern die nur ein Gefühl von Beklemmung, ja sogar unterschwellige Angst in ihr ausgelöst habe.

Die politisch geplante Verbindung zwischen ihrem Lyzeum und scheinbar außerschulischen Veranstaltungen dieser Art war und ist Frau F. anscheinend nicht bewusst geworden.

Bis 1933, also bis zum Alter von elf Jahren, gehörte Frau F. der Turnerschaft Riemann an. Nachdem dieser Verein „gleichgeschaltet“ worden war, wurde sie automatisch Mitglied im BdM.
Frau F. berichtet, die Mitgliedschaft im BdM habe das Schulleben nicht beeinflusst.

Es fanden allerdings gekoppelte Veranstaltungen von BdM und Schule statt. Frau F. erinnert sich noch lebhaft an eine Fahrt nach Neumünster, die vom BdM für alle Schülerinnen organisiert wurde, um einen Vortrag Baldur von Schirachs (1907 – 1974) zu hören.
Dieser NS-Politiker wurde nach der „Machtergreifung“ und der „Gleichschaltung“ aller Jugendverbände im Jahr 1933 von Hitler zum „Jugendführer des Deutschen Reiches“ ernannt. Er machte im Jahre 1936 die Mitgliedschaft in der Hitlerjugend zur Pflicht und organisierte 1940 die Kinderlandverschickung, bei der Millionen Kinder aus bombengefährdeten Städten auf das Land geschickt wurden.(113)
Da wegen des Vortrages aus der gesamten Umgebung Schüler angereist waren und deshalb Platzmangel herrschte, mussten sich die Schülerinnen des Lyzeums auf einem Kohlenhof aufstellen.

Der Inhalt der Rede sei ihr entfallen, erklärt Frau F., doch im Anschluss an die Rede habe die Feuerwehr sie mit den großen, neuen Schläuchen abgespritzt, um den Kohlenstaub wieder von der Kleidung abzuwaschen.

Wie viele anderen Zeitzeugen auch, die während der nationalsozialistischen Herrschaft aufgewachsen sind, erinnert sich Frau F. nur an Details wie die staubige Atmosphäre auf dem Kohlenhof und die amüsante Anekdote mit den Feuerwehrschläuchen, nicht an die Worte dieses bedeutenden NS-Politikers. Womöglich erschienen ihr die ideologiedurchwirkten Themen seiner Rede als längst bekannt, da in abgewandelter Form längst im Unterricht besprochen, so dass sie eine Selbstverständlichkeit bedeuteten.

Aus heutiger Sicht beurteilt Frau F. den BdM als „schlecht“ und schließt sich damit der öffentlichen Meinung an, die jede nationalsozialistische Institution verurteilt. Doch auf der anderen Seite meint Frau F., sie habe im BdM lediglich harmlose Lieder („irgendwelche“) gesungen, gebastelt und die im Nationalsozialismus so wichtigen Sportabzeichen gemacht.

Aufgrund ihrer schwachen sportlichen Leistungen im Schulunterricht hatte Frau F. einige Schwierigkeiten ihr Abitur zu bestehen.
Denn ohne die bestandene Sportprüfung wäre ihr das Abitur nicht zuerkannt worden. Nur wegen der Fürsprache ihrer Lehrerin, die ihre handwerklichen Fähigkeiten hervorgehoben habe, sei die Sportnote noch in ein „Ausreichend“ umgewandelt worden.

Nach dem „Pudding-Abitur“ begann Frau F. in Hamburg eine kostenlose Ausbildung zur Grundschullehrerin. Da viele männliche Kollegen während des Krieges an der Front waren, herrschte Lehrermangel, und deshalb war die Ausbildung bereits nach einem Jahr beendet. Uns erscheint es offensichtlich, dass auf diese Weise eine nicht einmal annähernd vergleichbare Qualifikation wie nach den heute üblichen sechs bis acht Semestern Regelstudienzeit erreicht werden konnte, was zu Lasten der Unterrichtsqualität und damit der Schüler ging.
Nach ihrer Ausbildung lehrte Frau F. acht Jahre in Niedersachsen. Damit erfüllte sie sich ihren Wunsch, „erst einmal in die Fremde zu gehen“.
Frau F. hat uns eine Leselern-Fibel aus dem Jahre 1940 gezeigt, die sie im Unterricht verwendet hat.
Auf den ersten Blick könnte diese Fibel auch aus den 50er Jahren stammen, doch auf den zweiten Blick erkennt man die fast wie nebensächlich abgebildeten Hakenkreuzfahnen und andere nationalsozialistische Symbole, die sich im Unterbewusstsein der Kinder einprägen sollten.

Frau F. hat uns erzählt, sie habe sich parteipolitisch nie engagiert und sie sei, weil „der ganze Kram“ sie nicht interessiert habe, nicht einmal in die NSDAP eingetreten. Auf unsere verwunderte Zwischenfrage, wie das möglich gewesen sei, hat Frau F. geantwortet, sie habe damals behauptet, „zu sehr mit der Weiterbildung beschäftigt zu sein“. Diese Ausrede konnte Frau F. offenbar bis Kriegsende aufrechterhalten.
Sie hat betont, die Lektüre von Hitlers Werk „Mein Kampf“ zwar angefangen, aber aus Langeweile nie beendet zu haben. Nach 1945 habe sie es „im Garten vergraben“.

Frau F. hat sich „schnell auf die neue Zeit umgestellt“ und hat es als befreiend erlebt, ihre Meinung ungestraft äußern zu können.
Da sie nicht Mitglied der NSDAP gewesen war, durfte sie ihre Arbeit als Lehrerin fortführen und die Prüfung zur Realschullehrerin absolvieren.
Frau F. kehrte wieder nach Eutin zurück, wo sie an der Wilhelm-Wisser-Schule unterrichtete.

Während des Krieges hat Frau F. aufgrund guter Beziehungen zu einer Bäuerin nie Hunger gelitten, wie sie bekräftigt. Auch nach dem Krieg hätten die Amerikaner in Niedersachsen die Nahrungsmittelversorgung „gut organisiert“. In Schleswig-Holstein sei es wohl zu Nahrungsmangel gekommen, dank der Unterstützung durch die befreundete Bäuerin habe sie jedoch nichts davon gespürt.
Deshalb habe sie nie direkt unter dem Krieg und seinen Folgen leiden müssen. Viele ihrer Eutiner Bekannten seien jedoch Kriegsflüchtlinge, die auf der Flucht zum Teil alles verloren hätten.


Wir hatten das Gefühl, dass Frau F. die meisten unserer Fragen akustisch gut verstanden hat, teilweise schien sie uns aber nicht zu hören (oder hören zu wollen?).
Dies galt u.a. bei Fragen nach den beiden Lehrern M. Reinhardt und A. Philippson, die wegen ihrer dem jüdischen Glauben anhängenden Vorfahren von der Schule verwiesen wurden, oder bei der Frage, wer die Schuld am Krieg trage. „Nun, das waren Hitler und seine Nazis“, hat sie nach einigem Zögern gesagt.

Wir sehen zwei Möglichkeiten, warum Frau F. gezögert hat. Vielleicht kam die Frage nach der Schuld zu überraschend, doch vielleicht fiel es Frau F. auch einfach schwer, allen Nationalsozialisten die Schuld zuzuweisen.

Sie differenziert anscheinend zwischen der nationalsozialistischen Elite um Adolf Hitler einerseits, deren Schuld der Zweite Weltkrieg und der Holocaust sei, und den lokalen nationalsozialistischen Lehrern und Politikern andererseits, die sie persönlich kennen gelernt hat und die z.T. „auch Juden geholfen“ hätten. Diese „Nazis“ sind es wohl, die sie als „gar nicht so schlimm“ bezeichnet.

Frau F. mag exemplarisch für viele stehen, die nicht glauben (oder nicht glauben wollen), dass von ihnen als Menschen geschätzte NSDAP-Politiker oder andere Nationalsozialisten die Basis des „Dritten Reichs“ bildeten und damit auch einen Teil der Schuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus tragen.



Frau F. wirkte im Interview etwas hin- und hergerissen zwischen ihren eigenen Erfahrungen und der sich über ganz Europa erstreckenden Geschichte. Ihr persönlich hat die nationalsozialistische Politik „nichts getan“, außer dass sie am Lyzeum eine hauswirtschaftliche anstelle einer fundierten wissenschaftlichen Ausbildung erhalten hat. Deshalb scheint sie diesem Regime persönlich nichts übel zu nehmen.
Dennoch ist Frau F. sicher keine heimliche Sympathisantin der Nationalsozialisten und auch nicht heutiger rechtsextremer „Neonazis“, von denen sie sich im Gegenteil heftig distanziert hat.

Dass die NPD bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern 7,3 % der Zweitstimmen
erhalten hat(114) , findet Frau F. bspw. außerordentlich bedenklich, da sie den direkten Bezug zur NS-Ideologie sieht. Besonders Jugendliche, z.T. noch Schüler, würden von den Kampfbegriffen der NPD gefährlich in ihrer Weltanschauung beeinflusst.

Obwohl Frau F. uns offen und bereitwillig Auskunft gegeben hat, haben wir an ihrem stellenweisen Zögern erkannt, dass der Nationalsozialismus auch über 60 Jahre nach Kriegsende noch ein sensibles Thema für sie ist.


Anhang







Hedwig Rekittke(115)
(24b) Wintershagen, den 18. 12. 47
Post Neustadt Holstein

Sehr geehrtes Fräulein Kwast!

Es ist mir leider ganz unmöglich in dieser
Woche zu Ihnen zu kommen. Eingezwängt
in eine feste Waschordnung stecke ich leider
mitten in grosser Wäsche, ganz alleine. Wie
gern käme ich zu Ihnen, weiß ich doch, daß
das Damoklesschwert über meiner armen
Sabine hängt. Ich habe nur die eine Bitte [sic!]
behalten Sie das Kind doch weiter zur Beo-
bachtung [sic!] in der Klasse. Sie gibt sich Mühe,
und wir versuchen hier zu Hause die grossen
Lücken in der Orthographie zu beseitigen.
Ich bin sicher, sehr geehrtes Fräulein Kwast,
daß Sie über Sabine erschüttert sind, ich bin
s [sic!] nach ihrer Krankheit als Mutter auch, aber
mit Geduld und Verständnis holt sie vielleicht
doch noch einiges auf. Was soll ich tun, da ich
nach allen Seiten an einen langen Schulweg
gebunden bin und eine Pension heute nicht
zu finden ist. Lassen Sie das Kind bitte,
bitte weiter mitlaufen, ich glaube fest, daß
Sabine durch regelmäßigen Schulbesuch sich
doch hinein finden wird. In all meinen
Sorgen, besonders um meinen
Mann in Rußland, ist Sabine
mir die Grösste. Um gütiges Verstehen
bittend und herzlichen
Weihnachtsgrüßen,

Ihre Heta Rekittke


Anmerkungen



(1) Bettin (1996), S. 169
(2) vgl. Bettin (1996), S. 169 
(3) vgl. Bettin (1996), S. 170
(4) Hitler: Mein Kampf, S. 460, in: Obermeier, S.119
(5) vgl. Obermeier 1, S. 118 ff.
(6) ebd., S. 121 f.
(7) vgl. Obermeier 1, S. 119
(8) vgl. ebd., S. 125
(9) vgl. ebd, S. 132
(10) vgl, ebd., S. 136
(11) vgl. Erinnerungen an die Schuljahre während des Krieges,  Sigrid
Stocks, geb. Gätjen; in Jahresheft der;Vereinigung der Ehemaligen der
Carl-Maria-von-Weber-Schule Eutin (1958-1988)
(12) vgl. ebd, S. 6 ff.
(13) vgl. ebd., S. 143
(14) vgl. Obermeier 1, S. 144 f.
(15) vgl. Bericht über die Zeit vom 24.01.1946 bis Ostern 1948
(16) vgl. Obermeier 1, S. 145 f.
(17) vgl. Obermeier, S. 7 ff. und vgl. Bericht über die Zeit vom 24.01.1946 bis
Ostern 1948
(18) Stokes (1984), S. 612
(19) vgl. Bettin (1996), S. 169
(20) vgl. Bettin (1996),S.170
(21) vgl. Bettin (1996), S. 169
(22) Hitler: „Mein Kampf“, Kapitel zur Jugenderziehung, in: Mann, S. 50
(23) vgl. Abitur 1938-Rede einer „goldenen Abiturientin“, Gertrud Harms, in:
Jahresheft 1988/89
(24) vgl. ebd.
(25) vgl. Obermeier 1, S. 120
(26) vgl. Stokes (1984), S. 584
(27) Obermeier 2, S. 120 f. 
(28) Bettin (1996), S. 172
(29) vgl. Bettin (1996), S. 172
(30) in: Bericht über das Schuljahr 1940/41; erstattet von dem stellv. Leiter
der Schule, Studienrat Wolf
(31) vgl. Bettin (1996), S. 172
(32) Bettin (1996), S.172
(33) vgl. Bettin (1996), S.172
(34) Mann, S. 98, in: Bettin (1996), S. 173
(35) Bettin (1996), S. 173
(36) vgl. Bettin (1996), S. 172 f.
(37) vgl. Bettin (1996), S. 172 f.
(38) vgl. Rede einer goldenen Abiturientin, Dr. Herta Meyer Gelhausen, in:
Jahresheft der Vereinigung; der Ehemaligen der Carl-Maria-von-Weber-
Schule Eutin (1991/92)
(39) vgl. ebd.
(40) vgl. ebd.
(41) vgl. Abitur 1947-40 Jahre her und schon fast vergessen, Marion Stein,
in: Jahresheft der Vereinigung der Ehemaligen der Carl-Maria-von-Weber
Schule Eutin (1958-1988)
(42) Bettin (1996), S. 175
(43) vgl. Klassenbücher
(44) vgl. Stokes (1984), S. 595
(45) ebd.
(46) vgl. Stokes (1984), S. 582
(47) Stokes (1984), S. 585
(48) vgl. Jahresbericht von Direktor Harders, in: Obermeier 1, S. 139
(49) vgl. Verordnung des Sozialministeriums vom 21.März 1933 an die
Regierung Eutin, in: Stadtarchiv, Akte Nr. 2878
(50) vgl. Chronik des Deutschen Historischen Museums, 1933www.dhm.de
/lemo/html/1933/index
(51) vgl. Anordnung des Regierungspräsidenten, Eutin, an die Leiter
sämtlicher Schulen im Landesteil Lübeck, 18.11.1935; in: Stokes (1984),
S. 584
(52) In den Klassenbüchern von 1947/48 ist dieses Datum nicht mehr als
Feiertag vermerkt.
(53) vgl. Stokes (1984), S. 607
(54) vgl. Obermeier 1, S. 133
(55) vgl. Jahresbericht 24. Januar 1946-Ostern 1948, S. 14; sowie
Klassenbücher
(56) vgl. Klassenbücher 1946/ 47
(57) vgl. Obermeier 1, S. 135
(58) vgl. Jahresbericht 1940/41, S. 5.; Der Kriegshilfsdienst war eine
zusätzliche Arbeitspflicht; zunächst für weibliche  Jugendliche,
eingeführt mit einem Erlaß des Führers vom 29. Juli 1941.
(59) vgl. Obermeier 1, S. 126
(60) vgl. Obermeier 1, S. 143
(61) ebd., S. 135
(62) Schönfeldt, Tagebuchaufzeichnungen vom 24. Juli 1945
(63) vgl. Jahresbericht 24.Januar 1946-Ostern 1948, S. 14
(64) M. Stein/geb. Diercks: „Abitur 1947“ in: Jahresheft der Ehemaligen 1958- 1988; S. 11f.;
(65) vgl. Obermeier 2, S. 11
(66) Sie errechnen sich aus 18 Stunden mit und 36 Stunden ohne Aufgabe.
Das bedeutet, pro Woche fiel im Durchschnitt eine Stunde ersatzlos aus.
(67) Vom Nachkriegsniveau sind wir also im Durchschnitt eine halbe Stunde
pro Woche entfernt.
(68) Bettin (1996), S. 169
(69) vgl. Bettin (1996), S. 169
(70) Stokes (1984), S. 583
(71) Erinnerungen an Fräulein Stuckenberg, Agnes von Hase, geb. Carriere; i
in: Jahresheft der Vereinigung der Ehemaligen der Carl-Maria-von-Weber- Schule; Eutin; (1993/94)
(72) nach Aussage der Zeitzeugin Frau M.
(73) vgl. Bericht der Regierung an den Minister des Inneren vom 9.9.1933,
Oldenburg, in: Stokes (1984), S. 731
(74) vgl. ebd.
(75) Schreiben des Direktors des städtischen Oberlyzeums an den
Schulvorstand, in: Stokes (1984), S. 731
(76) Schreiben von Regierungspräsident Böhmker an Studienrätin Reinhardt,
29. September 1933, in: Stokes (1984), S. 732
(77) Philippson, Adolf: „Festschrift zur 50-Jahrfeier der Carl-Maria-von-Weber
Schule“, Eutin 1960, S. 30
(78) Ohrtmann, in: Bettin (1996), S. 175
(79) vgl. Bettin (1996), S. 175
(80) vgl. Philippson; Adolf: „Festschrift zur 50-Jahrfeier der Carl-Maria-von-
Weber Schule“, Eutin 1960, S. 3
(81) vgl. Prühs, S. 280
(82) Philippson, Adolf: a.a.O.
(83) Jubiläumsbericht der Schule
(84) Zum Gedächtnis an Direktor Dr. Prange, Annemarie Rühmann; in:
Jahresheft der Vereinigung der Ehemaligen der Carl-Maria-von-
Weber-Schule Eutin
(85) vgl. Stokes (2004),  S. 14
(86) vgl. Obermeier 2, S. S. 15
(87) Aussage von Frau M.
(88) Kriterien für die Erteilung eines Stipendiums, in: Stadtarchiv:
Akte „Schulgeldbefreiung“, Nr. 2877
(89) vgl. Schulgeldsätze, in: Stadtarchiv: Akte „Schulgeldbefreiung“, Nr. 2877
(90) vgl. Obermeier 1, S. 116; Die exakte Herkunft der übrigen 35
Schülerinnen, die weder aus Eutin noch aus dem Landesteil Lübeck
stammten und etwa 18, 5% der Gesamtzahl darstellten, ließ sich nicht
feststellen.
(91) Die Gesamtzahl 802 umfasst alle Schülerinnen, die 1947/49 das Lyzeum
besucht haben. Diese waren jedoch nicht alle gleichzeitig auf der Schule,
wie die vielen neu eingetragenen, andererseits die vielen in den
Klassenbüchern durchgestrichenen bzw. abgegangenen Schülernamen
offen legen. Unter den Schülerinnen fand eine ständige Fluktuation statt.
(92) vgl. Obermeier 1, S. 143
(93) vgl. Jahresbericht 24.Januar 1946-Ostern 1948, S. 10
(94) vgl. Obermeier 2, S. 15
(95) vgl. Obermeier 1, S. 115
(96) vgl. Prühs, S. 310
(97) Gespräch mit der Zeitzeugin Frau M.
(98) vgl. Chronik des Deutschen Historischen Museums, BDM;
(www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/bdmglaube/index.)
(99) vgl. Obermeier 1, S. 140
(100) vgl. Papa Wetzel und das Jungmädel, Antje Thietz-Bartram; in:
Jahresheft der Vereinigung der Ehemaligen der Carl-Maria-von-Weber-
Schule
(101) vgl. Obermeier 1, S. 115
(102) vgl. F.A. Brockhaus (1984) Band 2, S. 584
(103) vgl. Loewel (1996), S. 208, in: Schülerprojektgruppe
(104) vgl. Loewel (1996), S. 210, in: Schülerprojektgruppe
(105) vgl. Schönfeldt, Tagebuchaufzeichnungen
(106) vgl. Bettin, S. 176
(107) vgl. Obermeier 2, S. 10
(108) vgl. Jahresbericht 1940/41, S. 9
(109) vgl. Schulz-Luckenbach: „Erinnerungsworte anlässlich der Jubiläumsfeier
zum Goldenen Abitur am 5.6.1999“, in: Jahresheft 1999/2000, S. 15
(110) Namen geändert
(111) vgl. Klassenbuch der Sexta C, 1947/48
(112) vgl. Obermeier 2, S. 16
(113) http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/SchirachBaldur/index.html
(114) http://www.bpb.de/themen/ZMQY7O,0,0,
Wer_wählt_rechtsextremistisch.html
(115) Name geändert

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