Station 1

Das Erkelenzer Gymnasium





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Das Erkelenzer Gymnasium befand sich zur Zeit des „Dritten Reiches“ gegenüber dem heutigen Finanzamt an der Südpromenade. Es wurde im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört, heute findet sich hier Nachkriegsbebauung – und die erste Station unserer Route.

Das Erkelenzer Gymnasium wurde von den Nazis konsequent für nationalsozialistische „Jugendarbeit“ instrumentalisiert.
So berichtete das Erkelenzer Kreisblatt über einen Festakt am 25. November 1936 bei dem das Gymnasium geehrt wurde, weil besonders viele Schüler Mitglied der HJ waren. Feierlich wurde die Hakenkreuzflagge gehisst und HJ-Bannführer Fride überreichte der Schule die Urkunde, die das „Recht der Fahne“ verlieh, und erläuterte die Bedeutung der Fahne in der NS-Ideologie: Der Fahne zu folgen, für die Fahne zu leben und auch sterben zu können müsse Lebensweg und Lebensziel der Schüler sein. Die Schüler sollten außerdem ihr Leben im Sinne des Führers gestalten und echte Nationalsozialisten werden. Die Fahne solle dies symbolisieren und sie immer daran erinnern Hitler zu folgen. Auch der Bürgermeister bekundete seine Freude über das umfangreiche Engagement der Schule und der Schüler im Sinne der NSDAP.
Über diese Darstellung in der von den Nazis kontrollierten Presse hinweg erklärt uns die Zeitzeugin Agnes Eickels aus Wegberg die tatsächlichen Hintergründe dieser Meldung: Am 1. Dezember 1936 erließ Adolf Hitler das „Gesetz über die Hitlerjugend“ in dem es in §2 hieß, „daß die gesamte deutsche Jugend [...] in der Hitlerjugend [...] im Geiste des Nationalsozialismus zu erziehen“ sei. Wie uns Agnes Eickels erklärt, hatte der damalige Schulleiter des Erkelenzer Gymnasiums, Dr. Keus, bereits vor dieser expliziten Anordnung Hitlers die Bestrebung, dass ausnahmslos alle Schüler seines Gymnasiums der Hitlerjugend beitreten. Um dies zu erreichen ließ Keus jeden Morgen die Schüler vor der Hakenkreuzfahne auf dem Schulhof antreten. Vor den Augen aller wurden dann jene Schüler aufgestellt und angeprangert, die den Eintritt in die HJ bisher verweigert hatten. Zu diesen „Verweigerern“ zählten bis zuletzt auch Eickels’ späterer Mann Josef und sein Klassenkamerad Johannes Winker, der heute Dechant in Heinsberg-Waldenrath ist. Beide waren überzeugte Katholiken, Eickels war sogar Mitbegründer der katholischen Pfadfindergemeinde in Wegberg-Beeck, und hielten aus ihrer religiösen Überzeugung den Drangsalierungen des Schulkollektivs bis zuletzt stand. Josef Eickels wurde (wie auch Winker) am 30. September 1936 (also knapp einen Monat vor dem oben beschriebenen Festakt und ca. sechs Monate vor seiner Abiturprüfung) ohne Abschluss und mit einem Vermerk auf dem Abgangszeugnis der Schule verwiesen. Auch polizeilich wurde Eickels wegen seiner Nonkonformität verhört und drei Tage in Untersuchungshaft genommen. Erst nach dem Ende des Nationalsozialismus, am 28. Februar 1946, wurde Josef Eickels nachträglich ein Zeugnis ausgestellt und ihm das Abitur zugesprochen.

Das Schicksal Eickels’, wie auch das Beispiel des Festaktes, zeigt, wie gezielt die Nationalsozialisten die Schule zur Vermittlung ihrer Ideologie missbrauchten; NS-Ideologie und -Symbolik gehörten zum Schulalltag. Darüber hinaus wird die Stellung der HJ als einziger und totalitär organisierter Jugendorganisation deutlich.

Auch auf den Unterrichtsinhalt nahmen die Nazis Einfluss. Dies zeigt das Beispiel der Lehrerschulungstagung, die in Erkelenz im August 1943 stattfand. Zwar gab es den Religionsunterricht noch als ordentliches Fach an den Schulen, jedoch gab er nicht mehr die originalen religiösen Werte wieder. Der stellvertretende Schulrat und Kreisschulleiter Karl Paulussen forderte bei der Tagung die Lehrerschaft auf, bei der Auswahl des Lehrstoffes „endgültig auf Anleihen bei artfremder Mythologien“ zu verzichten. Am Beispiel von deutschen Heldensagen machte er deutlich, dass die „Geschichte Jakobs, Davids und Salomons“ kaum geeignet sei, in der Jugend ein artgemäßes und deutsches Lebensideal zu wecken.

Besondere Bedeutung erhält die Station am ehemaligen Standort des Erkelenzer Gymnasiums auch auf politischer Ebene: Die Aula des Gymnasiums war Tagungsort des Stadtrates.
Zum Zeitpunkt der „Machtergreifung“ 1933 war Ernst de Werth hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt Erkelenz. In der ersten Sitzung des neu gewählten Stadtverordnetenkollegiums nach Hitlers Machtübernahme beschwor de Werth die Treue zum neuen Reich und bestätigte, die Erhaltung des Reiches zu unterstützen. Er verzichtete aber als Mitglied der Zentrumspartei bewusst auf nationalsozialistische Parolen. In der gleichen Sitzung ernannte der Stadtrat auf Antrag von NSDAP-Kreisleiter Curt Horst Adolf Hitler zum Ehrenbürger der Stadt Erkelenz. Der Antrag war von der NSDAP von oben her gesteuert, wie es auch in anderen deutschen Städten und Gemeinden der Fall war. Schon in der nächsten Sitzung am 6. Juni 1933 war de Werth nicht mehr anwesend und beurlaubt. Dr. Eduard Wessel, Landrat des Kreises Erkelenz, hatte ihm schon im Mai die Einreichung von Urlaub „nahegelegt“. De Werth hatte verschiedene Vorhaben der NSDAP nicht genehmigt, so die Nutzung der städtischen Festhalle für NSDAP-Veranstaltungen. Zudem hatte er versucht zu verhindern, dass die Hakenkreuzfahne an der Volksschule gehisst wurde. Im Rahmen des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums“ wurde der beurlaubte de Werth im Januar 1934 schließlich in den Ruhestand versetzt. Auf de Werth folgte Gustav Meyer, der zugleich Ortsgruppenleiter der NSDAP war und das Amt des Bürgermeisters linientreu ausübte. Dies war auch der Grund dafür, dass er 1944 angesichts der herannahenden alliierten Armeen floh und nicht mehr zurückkam. Das Beispiel Ernst de Werths zeigt, wie rasch die Nationalsozialisten auch auf lokaler Ebene demokratische Prinzipien aushebelten, anders denkende Politiker aus ihren Ämtern entfernten und durch konforme Parteigenossen ersetzten.

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