Der Kampf um die amtlichen Mitteilungen

Die Bedeutung der amtlichen Meldungen



Durch das Erscheinen des „Neuen Allgäuer Tagblatts“ (NAT) wurde die Presselandschaft in der Stadt Wangen gehörig durcheinander gewirbelt. Der „Argen-Bote“ hatte als bis dahin einzige Tageszeitung für Wangen das Vorrecht über die amtlichen Mitteilungen (Bild 1). Dies war ein wichtiger Grund für viele Menschen diese Zeitung zu lesen, denn sowohl aus geschäftlichen als auch aus privaten Gründen waren sie darauf angewiesen. Ebenso waren diese Anzeigen aus finanzieller Hinsicht von enormer Bedeutung, denn die Stadt zahlte, wie normale Inserenten auch, dafür Gebühren – wenn auch 1/3 weniger.
Aus diesem Grund war es auch für die NS-Presse ein sehr wirksames Instrument, bei anderen Blättern den Amtsblattcharakter aufzuheben um damit die eigene Position zu stärken. Deshalb wurde im April 1933 allen Zeitung der Verbo-Gruppe das Veröffentlichungsrecht für amtlichen Anzeigen und Meldungen entzogen.





Bild 1: Anzeige des Argenboten mit der verdeutlicht werden sollte, dass alle Amtsnachrichten in der Zeitung erscheinen

Obwohl der „Argen-Bote“ nun nicht mehr das Amtsblatt war, druckte er dennoch die Amtsanzeigen mit einem Tag Verspätung nach. Dadurch war seine Titelleiste: „Veröffentlichung aller amtlichen Anzeigen“ (Bild 2) noch immer gerechtfertigt und konnte ihm auch nicht von den Nazis aberkannt werden. Trotzdem versuchte der „Argen-Bote“ beim Oberamt, dem Bürgermeisteramt und dem Gemeinderat Wangen (Bild 3) zu erreichen, die Anzeigen am selben Tag wie das „NAT“ zugestellt zu bekommen indem er auf die Verdienste für die einheimische Wirtschaft verwies. Als in der Gemeinderatssitzung vom 21. Juni 1933 dieses Gesuch behandelt wurde, empfahl der NSDAP-Ortsgruppenleiter Pfeiffer laut Gemeinderatsprotokoll dieses Gesuch abzulehnen, „weil die Pressefrage (Amtsblatt) in nächster Zeit schon endgültig geregelt werden wird. Diese Neuregelung werde von der Regierung aus geschehen. Stadtrat Pfeiffer erklärte weiter: „Wir Nationalsozialisten brauchen unter allen Umständen unsere eigene Presse. Wenn die z. Zt. Bestehenden Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt sind, steht der Sache nichts mehr im Wege, dass wir zu einer gemeinsamen Zeitung kommen. Man darf nicht vergessen, dass mein Antrag im alten Gemeinderat ‚unserer Presse die Bekanntmachungen zu übermitteln’ nicht angenommen wurde. Sie müssen uns gestatten, dass über alles etwas Gras wächst. Wir gestatten uns vorsichtig zu sein [...]“ (GRP WG 21.06.1933). Noch deutlicher wurde dagegen Stadtrat Betzler, der erklärte: „Der Kampf der von der schwarzen Presse geführt wurde, war mehr als gemein. Keine Zentrumszeitung war so gemein wie der Argenbote. Gewiss, man soll versöhnlich sein, aber ich möchte schon bitten, dass zugewartet wird“ (GRP WG 21.06.1933). Am Ende entschied sich der Gemeinderat mit 6 gegen 5 Stimmen die Amtsnachrichten nur der nationalsozialistischen Presse zukommen zu lassen.






Bild 2: Titelkopf des Argenboten: „Veröffentlichung aller amtlichen Anzeigen“





Bild 3: Bitte des Argenboten an Bürgermeisteramt und Gemeinderat ebenfalls die Anzeigen zugestellt zu bekommen



Bild 4: Erklärungsversuch des Argenboten, nachdem ihm verboten wurde die amtlichen Anzeigen nachzudrucken

Diese Situation hielt bis Juli 1933 an. Dann jedoch druckte der „Argen-Bote“ eine Amtsanzeige nicht nach, die die Einführung des Hitlergrußes für alle städtischen Angestellte, Beamte und Arbeiter beinhaltete. Im Nachhinein versuchte man dies damit zu begründen, dass man diesen Erlass „für intern“ gehalten habe, aber keinesfalls hätte man damit eine Abneigung gegen den Hitlergruß bekunden wollen (vgl. Bild 4). Dennoch wurde in einer Gemeinderatssitzung vom 21. Juli 1933 beschlossen, dem „Argen-Boten“ das Nachdrucken von amtlichen Anzeigen zu verbieten. Dieser Beschluss musste am 25. August 1933 aufgrund eines Formfehlers jedoch neu gefasst werden und wurde dann von der politischen Polizei in Stuttgart bestätigt. Damit war es dem „Argen-Boten“ nun auch nicht mehr erlaubt den Untertitel „Veröffentlichung aller amtlichen Anzeigen“ zu tragen, sondern maximal noch „Veröffentlichung von amtlichen Anzeigen“. Dies war möglich, da es Familienstandsänderungen entgegen dem Willen des „NAT“ weiterhin erhielt und auch abdrucken durfte. Im Juli 1934 beschwerte sich das „NAT“ erneut beim Bürgermeisteramt, da der „Argen-Bote“ eine „rein-politische Meldung“ ebenso erhielt wie das „NAT“ – es handelte sich dabei um einen Bericht über die Abreise mehrer KdF-Touristen aus Wangen. Hierbei erhob das „Neue Allgäuer Tagblatt“ schwere Vorwürfe gegen den „Argen-Boten“. Da dieser „den Nationalsozialismus in der unverschämtesten Art und Weise einst bekämpfte“ habe man „größte[] politische[]/moralische[] Bedenken“ über die Weiterleitung solcher Nachrichten an die bürgerliche Presse (Bild 5). Erst als es am 2. September 1933 zu der Zwangsvereinigung von „Argen-Boten“ und „Neuem Allgäuer Tagblatt“ kam, war der Streit endgültig verstummt.






Bild 5: Beschwerde des NAT beim Bürgermeisteramt über die Weiterleitung amtlicher Mitteilungen an den „Argen-Boten“

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