Station 9

Haus Spieß in Erkelenz: Das Ende der Demokratie





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Das Haus Spieß am Erkelenzer Franziskanerplatz ist heute als Sitz der großen Stadtratsfraktionen Symbol für die deutsche Parteienlandschaft und die Organe einer funktionierenden Demokratie. An dieser Stelle soll an die Unterdrückung der Parteien nach der „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten erinnert werden.

Das Erkelenzer Land war bis 1933 keine nationalsozialistische Hochburg. Das lag weniger daran, dass im Kreis Erkelenz die besseren Demokraten gelebt hätten; vielmehr war die katholische und politisch mehrheitlich konservative Bevölkerung grundsätzlich abwartender gegenüber Neuerungen und dadurch auch gegenüber der aufstrebenden NSDAP. Doch auch im Kreis Erkelenz gewann die Hitler-Bewegung seit 1928 mehr und mehr Sympathisanten: Lag der Stimmanteil der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1928 im Kreis Erkelenz noch bei 0,6 % (reichsweit: 2,6%) steigerte er sich über 9% 1930 (Deutsches Reich: 18,3%) bis auf 15,5% im Juli 1932 (Deutsches Reich: 37,4%). Damit konnte die NSDAP zwar den Spitzenplatz des Zentrums (stets zwischen 48,5% und 61,3%) nicht gefährden, doch zeigen die Zahlen, wie sich die Partei auch in der Erkelenzer Region etablierte.

Nach der „Machtergreifung“ sollte die Reichstagswahl im März 1933 zum großen Triumph für die NSDAP werden. Zwar gelang ihr reichsweit mit 43,9% der deutliche Wahlsieg, doch die angestrebte absolute Mehrheit wurde nicht erreicht. Im Kreis Erkelenz mussten sich die Nationalsozialisten mit 34,7% mit dem zweiten Platz hinter dem Zentrum begnügen (48,8%).

Die folgenden Monate waren von der „Gleichschaltung“ und dem Verbot aller Parteien außer der NSDAP geprägt. Auch im Erkelenzer Land verschwanden die anderen Parteien. Die ersten Betroffenen waren Mitglieder und Sympathisanten der KPD. Mit Willy Pazyna aus Kückhoven und Matthias Meurer aus Commerden wurden 1933 zwei KPD-Mitglieder aus Erkelenz verhaftet. Meurer war zunächst vier Monate in Schutzhaft und 1936 nochmals inhaftiert; Pazyna kam erst 1945 nach zwölf Jahren Zuchthaus und KZ frei.

Am 22. Mai 1933 wurde reichsweit die SPD verboten. Einen Monat später meldete Dr. Eduard Wessel, Landrat des Kreises Erkelenz, an die Aachener Bezirksregierung, dass im Kreis Erkelenz keine Organisationen der SPD mehr bestünden; auch das Vermögen von SPD und Arbeiterwohlfahrt sei beschlagnahmt worden.

Die NSDAP ging jedoch nicht nur gegen die Arbeiterparteien SPD und KPD und ihre Unterorganisationen vor. Im Kreis Erkelenz war auch das Zentrum als führende politische Kraft Ziel der Nationalsozialisten. Darüber gibt eine Meldung im (zentrumsnahen) Erkelenzer Kreisblatt vom 6. März 1933 Aufschluss: Am Abend des 3. März – zwei Tage vor der Reichstagswahl – sollte in Erkelenz eine Wahlkampfveranstaltung des Zentrums stattfinden. Das Kreisblatt berichtet: „[Die Versammlung] wurde plötzlich (…) durch die Polizei aufgelöst. Die Begründung war folgende: Es sei eine geschlossene Versammlung angemeldet worden. Der Versammlungsleiter hatte ausdrücklich fremde Parteiangehörige gebeten, den Anstand zu besitzen, den Saal zu verlassen, aber da ein Nationalsozialist sitzen blieb, war die Polizei gezwungen, der Versammlung aufzulösen. Kurz vorher war der Polizeibeamte nach draußen gebeten worden, wo ein Nationalsozialist mit ihm sprach.“ Der NSDAP gelang es also durch zwielichtiges Verhalten und den Druck auf die Polizei, die Zentrums-Veranstaltung zu sprengen. Ein halbes Jahr später existierte auch die ehemalige Mehrheitspartei Zentrum im Erkelenzer Land nicht mehr (nachdem sie selbst dem "Ermächtigungsgesetz" zugestimmt hatte); übrig geblieben war einzig die "Staatspartei" NSDAP.

Binnen sechs Monaten war es der NSDAP gelungen, zur einzigen und somit "Staatspartei" zu werden; auch im Gebiet der Stadt Erkelenz wurden andere Parteien durch eine Mischung aus „legalen“ Gesetzen, die de facto die Demokratie abschafften, der Verknüpfung von Partei- und Staatsapparat und offenem Druck behindert und schließlich aufgelöst.


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