Die Cap-Arcona-Katastrophe

Inhaltsverzeichnis



1. Einleitung

2. Die Katastrophe in der Neustädter Bucht

3. Täter und Opfer

4. Anmerkungen

5. Literaturverzeichnis


Einleitung



Die „Cap-Arcona“ (1), mit deren Namen die Katastrophe vom 3. Mai 1945 verbunden ist, war ein Luxusdampfer der Hamburg-Südamerika-Linie. Nachdem es 1927 vom Stapel gelaufen war, machte das Schiff rund 100 Mal die Seereise auf der Südamerikaroute, bis es ab 1940 von der deutschen Kriegsmarine als Marinestützpunkt und Unterkunft für Soldaten verwendet wurde. 1944 war auch die „Cap Arcona“ am Transport von Flüchtlingen aus Ostpreußen ins Reich beteiligt. Kurz vor Kriegsende wurde das Schiff zusammen mit dem Schnelldampfer „Deutschland“ und den beiden Frachtschiffen „Athen“ und „Thielbeck“ in die Neustädter Buch beordert. Hier ereignete sich die Tragödie, von der die Rede sein soll.

Die Katastrophe in der Neustädter Bucht



Beim Näherrücken der Front, insbesondere der Roten Armee, sollten die Vernichtungslager wie Auschwitz, aber auch die großen Konzentrationslager wie Dachau, Buchenwald und im Norden Neuengamme bei Hamburg auf Befehl des Reichsführers SS Himmler geräumt werden, auch um die furchtbaren Verbrechen, die dort verübt worden waren, vor den heranrückenden alliierten Truppen zu kaschieren.
Das KZ Neuengamme war mit 10.000 Häftlingen, die aus 80 Außenlagern zusammen getrieben worden waren, völlig überfüllt. (2) „Also wurde der perfide Plan gefaßt, die Häftlinge auf Schiffe zu verladen, mit denen sie untergehen sollten.“(3)
Der Kapitän der „Cap Arcona“, Heinrich Bertram, ahnte wohl, was die SS mit seinem Schiff im Sinn hatte; jedenfalls verzögerte er die Verladung der Häftlinge, womit er vielleicht Tausenden das Leben rettete. (4) Bertram begründete seine Weigerung damit, dass jeder „verantwortungsbewusste Seemann“ wisse, dass es in Anbetracht des „ungeheuerlichen Risikos zur See während eines modernen Krieges unverantwortlich“ sei, „Menschen ohne die unausweichliche Notwendigkeit ihrer Beförderung zur See, noch dazu in einer derart massierten Form, an Bord zu nehmen“ (5). Bertram weigerte sich so lange wie möglich; nachdem man ihm jedoch mit Erschießung gedroht hatte, gab er seinen Widerstand auf. Am 28. April 1945 war die „Cap Arcona“ mit 4600 Häftlingen und 500 Mann Wachmannschaften vollkommen überladen und somit manövrierunfähig. (6) Für die Häftlinge gab es weder Trinkwasser noch Verpflegung, so dass täglich Dutzende starben, deren Leichen an Deck gestapelt werden mussten.

Über die massenhafte Verladung von Konzentrationären wurden die Alliierten durch das Schweizer Rote Kreuz am 2. Mai und durch das schwedische am 3. Mai informiert. Daraufhin wurden die Piloten der britischen RAF, die Seeziele angriffen, darüber informiert, die „Cap Arcona“ nicht anzugreifen, weil Überlebende der Todesmärsche an Bord seien. Für die Piloten, die Landziele angriffen, kam die Warnung aber zu spät. So begann am 3. Mai 1945 der Angriff von neun britischen Jagdbombern mit Bordwaffen und Bomben auf die drei Kilometer vor Neustadt auf Reede liegenden Schiffe „Cap Arcona“ und „Thielbeck“. Längsseits jedes der beiden Schiffe lagen je eine Schute mit 1600 Häftlingen vor Anker, die aufgrund der Überfüllung der Schiffe nicht mehr hatte an Bord nehmen können. Nach der Einnahme Lübecks hatten die anderen größeren Schiffe die Lübecker Bucht verlassen.
Die „Cap Arcona“ erhielt mehrere Bombentreffer und geriet in Brand, aber die eigentliche Explosion, die zu ihrem Untergang führte, kam, so Wilhelm Lange, Stadtarchivar von Neustadt und bester Kenner der Katastrophe, von innen, „(…) und zwar an einer Stelle, wo kein Geschoss eingeschlagen war“. Das führt Lange zu der These, dass die SS selbst die „Cap Arcona“ sprengte. Zur Untermauerung seiner These führt Lange zudem an:
„Es gab keine Rettungsboote, es waren keine hohen SS-Offiziere an Bord und das Schiff war kurz zuvor mit einer geringen Treibstoffmenge betankt worden, die nicht zum Auslaufen, wohl aber als Brandmasse reichte.“(7)
Nach den Treffern müssen sich an Bord der Schiffe grauenhafte Szenen abgespielt haben. Die Konzentrationäre, die durch Rauch und Hitze aus dem Schiffsinneren an Deck gelangt waren, sahen nur noch einen Fluchtweg, nämlich den Sprung in die 8 Grad kalte Ostsee. Aufgrund von Unterernährung und von Verletzungen, die sie sich z.B. durch den hohen Fall von Deck ins Wasser zuzogen, ertranken die meisten Häftlinge. (8) Die „Cap Arcona“ kenterte und legte sich in dem relativ flachen Wasser auf die Seite; der dadurch entstandene Sog riss viele Häftlinge unter Wasser. Die mehrfach getroffene „Thielbeck“ sank. Verbliebene SS-Männer schossen auf die Überlebenden. Wer es trotz Unterkühlung an Land schaffte, traf vielfach erneut auf SS-Angehörige, die auch hier weiter mordeten.
Der Überlebende S. Pivnik äußert sich wie folgt: „Ich sprang über Bord, glaubte aber nicht, dass ich überleben würde. Man kämpfte um Trümmer, die im Wasser trieben. Häftlinge trieben wie Fische im Wasser. Von einer Strömung wurde ich an Land getrieben außerhalb Neustadts.“ (9)

Etwa 7000 Konzentrationäre starben kurz vor Kriegsende in der Neustädter Buch einen fürchterlichen und vollkommen sinnlosen Tod. Allein auf der „Cap Arcona“ hatten sich 4300 Häftlinge, 400 Soldaten und 70 Mann Besetzung befunden, von denen nur 400 Menschen überlebten. Von den 3000 Menschen auf der „Thielbeck“ überlebten nur etwa 50.
Von den Schiffsbesatzungen und Wachmannschaften kamen 80% mit dem Leben davon.
Durch ihren schnellen Vormarsch konnten die Alliierten 2000 Häftlinge von der „Athen“ und weitere 1300 Häftlinge an Land befreien. (10)


Täter und Opfer



Niemand ist nach dem Krieg für die geschilderten Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden. Zwar ermittelten die Engländer, doch übergaben sie die Akten später an die deutschen Behörden, „die den Fall nicht engagiert weiterverfolgten“ (11).
Die SS-Verantwortlichen beriefen sich erfolgreich auf „Befehlsnotstand nach dem Himmler-Befehl“ (12). Dies ist angesichts der offensichtlichen geplanten Mordaktion an tausenden Häftlingen, die mit Schiffen (und Schuten) auf die Ostsee hinausgefahren und dort versenkt werden sollten, um die an ihnen zuvor in den Konzentrationslagern verübten Verbrechen zu vertuschen, eine entsetzliche Ungerechtigkeit.
Um die Erinnerung an die Toten des 3. Mai 1945 wach zu halten, wurden mehrere Gedenkstätten errichtet, die an das grauenvolle Verbrechen erinnern sollen.
Zwei davon stehen in der Nähe der Verbrechen. Zu nennen ist zum einen der „Ehrenfriedhof“ bei Haffkrug.







Gedenkstätte in der Neustädter Bucht (Neustadt/OH) (Bildgeber: Rathlau)


Zum anderen die „Cap-Arcona“-Gedenkstätte bei Neustadt, in der sich jedes Jahr am 3. Mai die Überlebenden treffen, um der Toten und der Tragödie zu gedenken.






Ehrenfriedhof bei Haffkrug/OH (Bildgeber: Rathlau)

Anmerkungen



1 vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen zur „Cap Arcona“:
a) de.wikipedia.org/wiki/Cap_Arcona_(Schiff)“ sowie
b) www.deutsche-passagierschiffe.de/core/schiffsregister/caparcona/index.htm
2 vgl. Lange-Interview; in: Büssem (Abendblatt-online: www.abendblatt.de/daten/2005/05/03/429059.html,S.1)
3 Büssem, ebd.
4 ebd.
5 Bertram; in: Hoch, S.111
6 vgl. Hoch, ebd.
7 Lange-Interview; in: Büssem (Abendblatt-online:
www.abendblatt.de/daten/2005/05/03/429059.html,S.2)
8 vgl. Hoch, S.111
9 vgl. Hoch, S.113
10 vgl. Büssem (Abendblatt-online: www.abendblatt.de/daten/2005/05/03/429059.html,S.2)
11 Lange-Interview; in: ebd.
12 ebd.


Literaturverzeichnis



Hoch, Gerhard: Von Auschwitz nach Holstein – Die jüdischen Häftlinge von Fürstengrube, Hamburg 1998

Ders./ Rolf Schwarz: Verschleppt zur Sklavenarbeit, Alveslohe/Rendsburg, 2. Aufl., 1985

Hermann, Karl/ Günther Klauke: Der Fall Cap Arcona, (Dokumentarfilm) NDR 1995

Hoey, Albert van: Todesmarsch und Befreiung; in: Hoch/Schwarz, a.a.O.,S.7 – 12

Kibbel, Kai: Auschwitz endete auch in Ostholstein . Der Untergang der Cap Arcona; in: Schülerprojektgruppe des Carl-Maia-von-Weber-Gymnasiums (Hg.): Eutin 1945: Leben im Umbruch, Eutin 1996, S.118 – 148


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