Augenzeugin aus Wallendorf




Stollen im Wald bei Wallendorf


Die Zeitzeugin wurde 1930 in Wallendorf geboren und lebte zwischen 1933 und 1958 dort.


Nachdem sich die Lebens-und Arbeitsbedingungen1933 verbessert hatten, verschlechterten sie sich bald nach dem Kriegsbeginn wieder, so wurden z.B. Lebensmittelmarken eingeführt und eigenangebaute Kartoffeln mussten abgegeben werden. Deshalb versteckte man Teile der Ernte unter dem Scheunenboden oder an anderen Orten und schlachtete Vieh schwarz. Die jungen Männer aus dem Dorf wurden zuerst zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, dann zur Wehrmacht. 1939, kurz vor dem Einmarsch der Deutschen in Luxemburg wurde das Dorf zwangsevakuiert und die Bevölkerung nach Goslar in den Harz gebracht. Die Augenzeugin erkrankte dort aufgrund des Essens (Grießbrei mit Soße) an Gelbsucht. Nach mehreren Wochen (vermutlich sechs-acht) durften die Menschen zurück in ihr Dorf.
In den letzten Monaten des Krieges wurden weitere junge Männer zur Wehrmacht eingezogen (Kanonenfutter!). Während den ersten Gefechten der Amerikaner und Deutschen in der Nähe des Dorfes flüchteten die Bewohner in den Keller des Försterhauses, das jedoch durch einen Bombenanschlag völlig zerstört wurde. Es wurde niemand verletzt. Daraufhin floh die Dorfbevölkerung bei Angriffen in einen Stollen im nahe gelegenen Wald. Als die Zeitzeugin mit ihrer Mutter in einer Feuerpause nach Hause Brot backen war, gerieten sie in einen erneuten Beschuss und mussten das Brot im Haus zurücklassen. Nach dem Angriff kehrten sie zurück, um das Brot zu holen, bekamen von den deutschen Soldaten jedoch nur eins. Beim ersten Einmarsch der der Amerikaner in Wallendorf kamen diese zum Stollen und verteilten Kaugummi. Sie wurden von der Wehrmacht zurückgedrängt. Die Bevölkerung musste zu Fuß bis nach Kewingen gehen, von wo aus sie mit Lastwagen nach Steinborn gebracht wurden. Dort wurden sie aufgeteilt. Die Augenzeugin und ihre Eltern wurden nach Stopperich bei Waldbreitbrach gefahren, wo die Flüchtlinge und die Einwohner einen sehr nassen Stollen gruben. Die Amerikaner erreichten schließlich auch dieses Dorf und verteilten Schokolade an die Kinder. Dort sahen die Zeugin und die Dorfkinder zum ersten Mal einen Afro-Amerikaner. Auch nach Kriegsende verhielten sich die meisten Amerikaner freundlich und gaben der Zivilbevölkerung Essen.


In Wallendorf selbst gab es zu dieser Zeit (1933-45) keine Juden. Sie lebten in Bollendorf, einem ca. 9 km weit entfernten Dorf. Der Schuster aus Wallendorf bezog von einem jüdischen Lederhändler aus Bollendorf das Leder. Dieser verschwand vor 1939. Die Leute erzählten nur, dass er „weg musste“. Ein Bruder der Augenzeugin musste in Wien im Prater Juden bewachen, bevor diese depotiert wurden. Er ließ sich, weil er die schreckliche Wahrheit ahnte, an die Front versetzten und kam in den Gefechten um Stalingrad ums Leben. Im Allgemeinen wusste die Bevölkerung wenig von den wirklichen Geschehnissen, auch wenn sie es ahnte. Es wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Hetzzeitungen vertrieben, ihre Familie bezog den Trierischen Volksfreund, bis dieser verboten wurde. Erst nach der totalen Niederlage wurde die Bevölkerung über das Schicksal der Juden aufgeklärt.


Aussage eines Dorfbewohners:

Kinder anstatt „Guten Morgen“: „Heil Hitler“
Antwort des Mannes: „Oh, as de Mahn kraank, eich kann`en net hälen. (Ach, ist der Mann krank, ich kann ihn nicht heilen.)




Aussage einer Dorfbewohnerin, nachdem Hitler 1939 den Westwall und den Bunker bei Wallendorf besucht hatte: „Et kennt een de Bodem kessen, wu hen gestaan hot.“ (Man könnte den Boden küssen, auf dem er gestanden hat.)



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