Bollendorf (2)

 
 
Interview mit einem Zeitzeugen, der 1937 in Bollendorf geboren ist. Er ist im Haus gegenüber einer jüdischen Familie, die ein Tuchgeschäft besaß, zusammen mit seinen 8 Geschwistern aufgewachsen.


Hatten Sie (regelmäßigen) Kontakt zu jüdischen Bewohnern?
 
Ja, wir waren eine gute Nachbarschaft. Wir betrieben Landwirtschaft und jeden Tag kamen sie Milch und Kartoffeln holen, die haben wir ihnen verkauft
Es war eine „gute Beziehung“.Manchmal wenn Siegfried (der Vater der jüdischen Familie) zu uns kam, um Milch zu holen, sagte er: „Barbara (Mutter des Augenzeugen), du hast viel Glück der von Welt!“ (wegen der Kinder). Das konnte er nicht von seiner Tochter behaupten, die niemand zum Heiraten fand. Oft kommentierte er diesen Zustand: „Die hat kein Glück.“


Waren diese guten Beziehungen auch bei den anderen Dorfbewohnern vorhanden?
 
Selten. Es gab zwar den üblichen Handel zwischen Jude und Deutschem, aber „begeistert“ waren sie nicht von den Juden. Die waren nämlich immer reich und der Rest hat hat gehungert.
Die Juden waren eigensinnig und clever. Sie gehörten nicht zur Bevölkerung dazu. Sie hatten ihr eigenes Leben, ihre Synagoge und ihren Friedhof. Sie sprachen kein Dialekt wie alle anderen, sie sprachen Hochdeutsch.



Wie haben die Juden gehandelt, wie war ihre Arbeitsweise?
 
Angenommen es hat sich jemand beim Juden ein Pferd geliehen. Der Bauer hat es gefüttert und genutzt.
Nach drei Monaten kam der Jude wieder, um es abzuholen. Der Bauer hatte schon nicht mehr mit seinem Besuch gerechnet.


Oder ein Jude hat Bilder verkauft, auf denen die Jünger gemalt waren. Und da die Leute es gerne wollten, aber kein Geld besaßen, hat der Jude es ihnen geliehen. Als er wieder kam, konnte die Familie es immer noch nicht bezahlen. Aber sie wollten es nicht von der Wand hängen, weil die sonst kaputt wäre. Also mussten sie paar Hühner abgeben.


Wurden Juden diskriminiert oder durch Nazis verfolgt?
 
Vom 9. auf den 10. November 1938, an der sogenannten Reichskristallnacht, haben die Nazis bei unseren Nachbarn, den Meyers die Rollen, auf denen die Tücher aufgewickelt waren auf die Straße geworfen
Zwischenfrage: Kamen die Nazis, die das Geschäft beschädigten, aus Bitburg?
Die Nazis kamen aus der ganzen Welt. Auch in Bollendorf gab es viele von ihnen.

Auf welche Weise sind die Juden verschwunden?
 
Sie wurden in Busse gebracht und weggefahren. Man sagte ihnen, dass sie umgesiedelt werden.
Einige Zeit bevor sie weggebracht wurden, haben wir ein Haus von ihnen abgekauft. Da wir ihnen das Geld nicht alles sofort bezahlen konnten, haben wir es ihnen mit dem Glauben, dass das Geld ankommt, geschickt. Meine Mutter hatte die Adresse. Doch das Geld kam nie an. Es wurde von den Nazis geklaut. Das erfuhren wir 1948/49, weil der jüdische Verband sagte, dass das Geld in der zeit nicht ankam. So mussten wir das zu 70% kriegsbeschädigte Haus ein zweites Mal bezahlen.
Ja, die Juden wurden weggefahren, sie wussten ja gar nicht, dass sie vergast werden.
Ein Jude namens Stern ist nach England gegangen und nach dem Krieg kam er zurück, um zu gucken.



Wurden Juden vor den Nazis versteckt gehalten?
 
Ich weiß nur, dass der Schneider einen Juden im Fass versteckt hat.




Wie waren die Reaktionen, als die Juden weggebracht wurden?
Wusste man, was mit ihnen geschehen war?

 
Viele waren froh, dass sie weg waren, besonders aber die (Vieh-) Händler die nicht jüdischen Blutes waren. Und die anderen waren ja auch nicht so begeistert von ihnen gewesen.




Der hier befragte Zeitzeuge erzählte kurz:
Als die Amerikaner kamen, musste Bollendorf geräumt werden. Die Einwohner sind nach Sülm gegangen, was in der Nähe von Bitburg liegt. Da dort aber „nichts war“, haben zwei seiner Brüder insgesamt 6-mal den Weg Bollendorf-Sülm zurückgelegt, um Heu, Getreide, 2 Kühe und ein Rind zum Schlachten und weiteres Proviant mit nach Sülm zu nehmen. Für die beiden war es den Aussagen des Zeitzeugen nach sehr gefährlich, weil die Amerikaner („Die waren auch nicht so rosig“) auf dem Berg saßen und auch auf einzelne Zivilisten schossen.





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